Das Bronco Konstrukt 26
(Eine Mehrautorengeschichte)
Vorneweg war der Kreisverkehr, unentschlossen dieser Birkenbaum mittendrin, Häuser blinkten zwischen den sonnig umfluteten Blätter albinohaft milde hindurch. Samstag, Paris, 15:16. So begann sein Tag, mit kleinen Pausbäckchen hoch oben am fast blauem Himmel, mit noch nicht so recht vom Schmutz befreitem Fußweg vor ihm.
Ankh
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Der Kaffee, mit dem er sich den Schlaf aus dem Mund spülte, lag noch immer zartbitter auf seiner Zunge und den Zähnen, die nun zusätzlich eine frisch gezündelte Gauloises umräucherte.
Gegen halb vier sollte er da sein - es wurde Zeit, den Schritt zu beschleunigen. Mit raschem Handgriff richtete er den Mantelkragen auf, um seinen empfindlichen Nacken vor der kalten Luft zu schützen. Noch zwei Querstraßen, und er würde da sein.
Tanzlehrer
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Schnelle Schritte vor ihm, die näher kamen. Er erhob seinen Blick vom unebenen Muster des Asphalts und erblickte Sie zum erstenmal.
Diesen Tag sollte Er später oft verwünschen.
Zicklein
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Sie war hinreissend, dieser leicht schelmische Blick von unten zu Ihm herauf. Ihr blondes Haar hingt ihr zerzaust über die Augen, sie wischte die Strähnen mit einer schnellen Handbewegung aus dem Gesicht.
Es wußte, sie war eine von denen, die nur eine gewisse Zeit bleiben, dann bringen sie Ärger und gehen oder werden verlassen.
Steffi81
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Beide Hände tief in den Manteltaschen vergraben, beschloss er, ihren Blicken bewusst auszuweichen und begann, die Querfugen der Bodenpflasterung abzuzählen. Das immer näher kommende Tackern ihrer Stilettos machte ihm klar, dass sie aufeinanderprallen würden.
Der Zeitpunkt war äußerst ungünstig.
Tanzlehrer
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"Haben Sie vielleicht Feuer?"
Ihre rauchige, warme, erotisch vibrierende Stimme ließ Ihn erzittern.
Er wühlte mit fahrigen, leicht schwitzigen Händen in den Taschen und ertastete eine Schachtel Streichhölzer. Diese herausziehend hob Er langsam seinen Blick.
Meilenstein
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Jetzt zündete er das Holz zwischen seinen Fingern, führte es an der PALL MALL zwischen ihren Lippen. Ja, eine atemberaubende Frau - ihr Blick erschien im plötzlich wie ein Versprechen zu sein - dieses Haar, dass ihr neckisches Dekolleté umspielte, diese wunderbare Weiblichkeit, die ihn mit voller Wucht traf. Sie lächelte wie ein Mädchen an ihrem ersten Tag.
Ankh
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Tief sog Sie den Rauch ein, ihr Brüste hoben sich, spannten den Stoff ihres Kleides auf der Haut.... Sie schloss die Augen und genoss den ersten Zug.
Er öffnete Seine Augen weit und genoss ebenfalls.
Zicklein
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Er wußte, Er konnte nicht ewig schweigen, der Augenblick war viel zu schnell vorbei.
"Jasmin, wir haben uns lange nicht gesehen" flüsterte Er.
Sie zog kräftig an ihrer Pall Mall, inhalierte den Rauch und liess ihn ganz langsam aus Ihren Lungen entweichen.
"Bronco".
Mehr sagte Sie nicht, aber es reichte, daß sich seine Nackenhärchen hochstellten und Sein Atem schneller ging.
Zicklein
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In den wenigen Bruchteilen von Sekunden, in denen er stoßweise scharf ausatmete, zogen Erinnerungsfetzen durch sein Gedächtnis wie die ausgepresste Luft durch die Nasenflügel.
Helsinki.
Er wußte, dass er dort den größten Fehler seines Lebens gemacht hatte. Verfluchtes Finnland. Und sie stand danach durch seinen Leichtsinn bis zum Hals im dampfenden Mist, den das Leben nur den wirklich zu Bestrafenden bereithalten würde.
Gleichwohl: Ihr war nicht anzusehen, was sie durchmachen musste, und ihre Lebenskraft blitzte aus ihren Augen, dass er das Gefühl hatte, seine Eier würden unter ihren Augen auf Erbsengröße schrumpfen.
Tanzlehrer
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Doch trotz der schon fünf Jahre, die die Helsinki Angelegenheit hinter ihm lag, glaubte er bei ihr diese innige Vertrautheit zu spüren, die auch er für sie verspürte; so, als wäre nie etwas geschehen. Doch behaglich wurde ihm deswegen nicht; er taumelte in schreckliche, skandinavische Ereignisse zurück, auch als sie seine Hand in ihre nahm und ihn an das Eckcaffee lotste.
Als er sich dorthin mittreiben ließ, blickte er nochmal auf seine Uhr. Nur noch knapp 20 Minuten, verdammt! Seine Zeit rannte zwischen ihren Händen, fsat so schnell wie seine vom Schicksalschlägen geschüttelte Jugend in Palermo. Ganz schnell mußte er sich jetzt etwas einfallen lassen, wollte er nicht zum zweiten Mal Jasmins Leben aufs Spiel setzen.
Ankh
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Sie setzte sich auf einen der unbequem wirkenden Korbstühle und schlug die Beine übereinander. Diese Beine. Bronco setzte sich ihr gegenüber und mußte sich zwingen, wo anders hinzusehen, was sie merkte und mit einem schelmischen Lächeln quittierte.
Torti
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Er hielt die Kaffeetasse mit dem heißen, dunklen Saft zwischen seinen Händen, ohne sie abzusetzen. So, als wolle er sich damit das klamme Gefühl aus den Fingern wegwärmen.
Sie schien alle Zeit der Welt zu haben, und ihm fiel es schwer, die in ihm pochende Ungeduld nicht in ihr Lächeln zu transportieren.
"Schöner Zufall..." sagte er leise in ihre Richtung.
"Ja..." erwiderte sie und ließ den Rest des Satzes unvollendet in ihren Augen stehen.
Tanzlehrer
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Zufall, war es das? Sein Auftrag drängte sich in den Vordergrund, verdrängte ihren Geruch, ihr leises Atmen, er wurde langsam wieder klar im Kopf.
WAS TAT ER HIER???
Hastig suchten die Augen das Zifferblatt seiner Armbanduhr. Noch 5 Minuten!
Tach auch
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"Wie hast du es..", Bronco ließ von ihr ab und wechselte seine Gefühlswelt. "Es überstanden?", überrumpelte ihn Jasmin geschickt und plötzlich, "Ich bin wieder nach Chicago zurück", sie rührte mit einem fein gearbeitetem, winzig silbern aufblitzendem Löffel den letzen Rest Kakao, sah wieder auf. "Ich habe es nicht überstanden. Ich werde es niemals überstehen". Entschlossen und älter war ihr Augenlicht , ihr langes Haar wieder spröder.
Bronco verstand sie nur zu gut. Ein Kind zu verlieren ist keine Heldentat, erst recht nicht unter diesen Umständen. Das mechanische Uhrwerk an Broncos Handgelenk lenkte den Minutenzeiger der Fahrenheit Uhr um einen Strich weiter, die Zeit drängte ungestüm. Später würde er Jasmin alles erklären, später! Sein Job ließ ihm nur noch eine Weile Aufschub dulden, jetzt galt es sich von Jasmin zu trennen, andernfalls hing sie wieder mit drin. Aus den Augenwinkeln sah er hinten in die in schwach beginnendes Dämmerungslicht getauchte kleine Pariser UIferstrasse am Hotel einen Kleinwagen vorfahren - Männer mit Reisetaschen verschwanden zügig in dem Eingang. "Jasmin", meinte er aufgeregt als er sich erhob, sie bemerkte seine Nervosität, schüttelte sachte den Kopf, "ich muß jetzt schnell ...
Ankh
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"... zu Vadim. Ich weiß, du kennst ihn nicht - noch nicht. Aber der Termin ist wichtig und duldet keinen Aufschub." Der dämliche Satz "Ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss" schoss ihm durch den Kopf, aber er unterdrückte es, ihr diese wachsweiche Plattitüde an die Locken zu werfen.
"Wir können uns bald wiedersehen. Ich bin noch länger in der Stadt."
Hastig kritzelte er ihr eine Telefonnummer auf einen Bierdeckel.
Der Glanz in ihren Augen erlosch, und er merkte, dass sie erwartet hatte, dass sich die Welt heute nach diesem Treffen nur um sie drehen würde. "Geh." flüsterte sie matt. "Ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss..."
Tanzlehrer
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Bronco blickte nochmal hinab, dann wand er sich von ihr ab und trauerte der Situation hinterher, aber es war keine Zeit mehr für Floskeln oder Feinfühligkeiten aus Gründen der vermeindlichen Erinnerung. Vor sich und dem Hotel waren bestimmt fünfundzwanzig Menschen, nur auf dieser einen Bürgerstiege, im einigermaßen schnellem Schritt begab er sich tick und tack näher vorbei an ergraut mannshohen Mäntel und Kinderwagen mit blaugelbem Sonnenschirm, Frauen mit stolzen Hüten und wehenden Bewegungen, die an Schaufenster lehnten.
Ankh
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Der Geruch von Schweiß gemischt mit teurem Parfum lag über dem Hoteleingang, Bronco grub sich einen Weg durch die Menge, schob seine Ellenbogen in die Menschenmassen.
"Endlich!" flüsterte jemand hinter ihm.
Katia
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Aus dem Polizeibericht:
Vorne der Eingang zum Hotel "Agora", die Strasse runter an der Abzweigung das Eckcafe. Das Opfer wurde im drittem Stockwerk des Hotels, Zimmer 312, mit Schußwunden aufgefunden.
Die dringend der Tat Verdächtigte, Jasmin Franseco, hier abgebildet mit schwarz gefärbten Haar (Juni 1973) wurde in ihrer Wohnung aufgegriffen
Ankh
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Die Stimme schnitt Bronco in`s Hirn wie ein heißes Messer in einen Klumpen Butter. Gleichwohl versuchte er, die Erinnerungen an diesen bekannten, zischenden Klang in den hintersten Winkel seines Hirns zu verlagern. Seine Hände krallten sich in die Manteltaschen.
Zu spät. Er spürte, wie sich eine kräftige Hand im Lendenbereich seines Trenchcoats vergrub und seinen Schritten Einhalt gebot.
"Endlich...!" zischte die Stimme.
Tanzlehrer
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"Vadim!", Bronco ließ sich seine Unruhe nicht anmerken, vorbei gehende Stadtpassagiere drehten im Vorüber nochmal einen bald vergessenden Blick zurück, "musst Du mich so erschrecken, verflucht?". Er stieß Vadims Hand nach unten, umgriff dann aber beherzt seinen Vadim .. Moment! Etwas stimmte nicht!
Hinter Vadim, der diesmal nicht so einen offenherzigen Blick offenbarte, waren über seine kleine Statur zwei in Jeansjacken junge Burschen ganz nah, mit unfreundlicher Mimik und feuchtem Haar, hinweg zu sehen. Der eine fummelte nervös über sein Antlitz, der Andere sondierte die Hotel Eingangssituation. Beide waren aber weiter fixiert. "Bronco", meinte Vadim, "mach keine Schwierigkeiten". Er, und seine unscheinbaren, aber gefährlichen Jungs, "wir gehen jetzt zum Fahrstuhl", drängten nah heran. Ein Schlaglicht umspülte die Konfrontation, die Zeit spurte langsamer, sie verging in Takten unaufhörlich wie frische Liebe vergeht.
Mensch, Vadim, dachte Bronco . Dafür lässt du dich also hergeben. Wie kannst Du nur. Waren wir nicht Freunde? Ich werde dich fertig machen, du Stück Schweinehälfte.
Ankh
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Enttäuschung und Wut mischten sich mit einem angeekelten Blick. Für Geld tat auch Vadim, was andere wollten!
Bronco drehte sich um und ging langsamen Schrittes auf den Hoteleingang zu. Er hörte Vadim dicht hinter sich, seine leisen Schritte, seinen Atmen.
"Es ist nicht, wie du denkst, ich kann nicht anders" hörte Bronco Ihn flüstern, aber er ignorierte seinen ehemals guten Freund und Kumpan im Krieg.
Tach auch
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Aus dem Polizeibericht
Foto Hotelfahrstuhl. Anhang 17.5
Ankh
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Und das, so gut er konnte. Und das während diesem obskur, skurril anmutendem Szenario, dass ihn seinem eigentlich nötigen Auftrag ad absurdum entgleiten ließ. Es ist nicht, wie du denkst .. Die zwei Typen jedenfalls ließen keinen Schimmer Frohgemut erkennen, Vadim schlurfte nun plötzlich an hinterster Stelle den Weg zum Fahrstuhl mit, das junge Rucksack Päärchen am Tresen unterschrieb die Formalien, gebeugt über das Formular.
Bronco entschied sich. Er würde dem Ganzen, jetzt und hier, ein Ende setzen. Zuerst beobachtete er aus einem Augenwinkel über einen Wandspiegel seine Gehgruppe, nicht mehr weit bis zum Fahrstuhl, wenige Schritte noch. Dann kalkulierte er die Möglichkeit, mit seinem Revolver erst Vadim, dann den etwas hageren der Begleiter erschießen zu können .. er verwarf diese Taktik aber wieder, denn so würde der Clevere der Jungs sich, der sich sehr umsichtig nah an Unschuldige und Personal verhielt, nicht ohne Skandal ausschalten lassen.
Ankh
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Eine andere Möglichkeit wäre die Schwingtür rechts von ihm. Wohin ging es dort? Personalräume? Die Zeit drängte, sie waren nun schon fast am Fahrstuhl angekommen.
"Drücken" flüsterte der Hagere hinter ihm und machte eine Kopfbewegung Richtung Fahrstuhlknopf.
Bronco streckte den Arm aus. Jetzt oder nie. Er presste den Knopf, drehte sich plötzlich in der Hüfte und rammte dem verdutzt schauenden Kerl hinter Ihm die Faust in den Magen.
Der klappte zusammen wie ein altes Mütterchen und fiel hinten über, seinem Kumpanen entgegen.
Vadim schaute nur zu und unternahm nichts. War das gut oder schlecht?
Bronco blieb keine Zeit, er stürzte Richtung Schwingtür, sprang förmlich hindurch und versuchte sich in Sekundenbruchteilen zu orientieren.
Tach auch
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Hinter sich schwerer Atem. Ein Blick aus den augenwinkeln. Vadim, keuchend auf seinen Fersen. Flucht oder Verfolgung, was hatte er vor?
Katia
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Aus dem Polizeibericht:
Anlage 12 VII Foto mögliche Tatrekonstruktion
Jamin Franseco, hier von einer Beamtin dargestellt, während ihrer Flucht über das Hoteldach, angrenzend zum Grundstück Rue Dunneo 24.
Ankh
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Er rollte über den Zubereitungstisch, in diesem dampfenden Unbekannt, mit Anlauf darüber hinweg, fiel ungelenk mit einem Haufen Zutaten und leeren Töpfen auf den Grund, Salate wirbelten wie Neuschnee in alle Richtungen, das übliche Geschrei unterschwelgte diese Plötzlichkeit - er sah Menschen in Weiß durcheinander flüchten, Messer und Schöpfloffel fallen, Schwingtüren flattern. Rücklings sich wieder findend, auf nass Getünchtem rutschend, fand Bronco sich nah an einer Kachelwand Ecke, umgeben von Kühlschränken und Vorratsschränken, griff zu dem Revolver, hielt ihn nah vor Augen, klickte die Sicherung der Waffe hastig atmend zurück.
Sein Auftrag, durchdrängte es ihn vor sich hin, Zimmer 312, fluchte er schwer.
Ankh
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Mit einem Knall schlug die Schwingtür an die Wand, Vadim.
Suchend sah er sich um, Bronco drückte seinen zitternden Körper tiefer in den Berg Küchenwäsche, ließ ihn nicht aus den Augen.
"Bronco!" kam es gepresst zwischen Vadims Lippen hervor.
"Ich bin auf deiner Seite, das war ich doch immer! Sie haben Jamin, ich konnte nicht anders!".
Suchend wanderten Vadims Augen, geduckt trat er weiter hinein in den Raum.
Tach auch
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Schummriges Licht drang durch ein spärlich verhangenes Fenster und verriet jeden seiner Schritte. Vadims Schatten wanderten über das Linolium.
`Bronco, ich lege jetzt meine Waffe ab! Sieh her! Ich bin unbewaffnet! Bronco, ich bin dein Freund!! Zeig dich mir! Die Männer draußen sind erledigt. Meine Männer sind da!`
Bronco registrierte jede Bewegung, sah den Revolver auf einem Küchentisch liegen, Vadims Arme hoben sich, er drehte sich um, nirgendwo schien eine weitere Waffe versteckt zu sein.
Katha Strophe
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Und diese zwei Typen? Einfach weg? Vadims was für Männer? "Leg dich hin, Vadim!", Bronco wurde lauter, "leg dich sofort hin, du Mistkerl!". Noch am Boden hockend visierte er Vadim über die Waffe genau zwischen die Augen an, der sich ohne jede Hast keine besondere Mühe machte auf den Boden zu sinken. "Du legst dich sofort hin, du Schwein!", Bronco sprang auf - nicht die zweite andere Türe der Küche, rechts von ihm, aus seiner Aufmerksamkeit entlassend - beugte sich nun zu Vadim hinab und durchsuchte mit der Linken Vadims feuchten Leib nach .. nach ... naaach.. naaaaaach. .. ..
Er begriff noch, etwas hartes hatte wohl gerade seinen Hinterkopf wie aus einer Fassung geschlagen, er stürzte während der jetzt alles einehmenden Bewusstlosigkeit mitten auf Vadim drauf, hörte noch ein Baseballholz über die Bodenfliesen poltern; so weit entfernt und sich wandelnd in schwarz endendes, gepresstes Echo.
Ankh
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Aus der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte 9 Js 588/08:
Asservat 12, Videocassette
In unmittelbarer Tatortnähe sichergestellt wurde in den Büroräumen der Geschäftsführung des Ex- und Importhandels Wong Fu ein Mitschnitt der Überwachungskamera im Eingangsbereich des dem Hotel "Agora" gegenüberliegenden Lokals nämlicher Firma.
Hauptaugenmerk der Ermittlungen ist auf einen 25 bis 30 jährigen Mann südländischer Herkunft zu richten. Muskulöse, durchtrainierte Erscheinung, gelocktes, dunkles Haar, vermutlich dunkle Augen. Bekleidung: Muskel-T-shirt, olivgrün, vermutlich mit Schweiß und menschlichem Blut unbekannter Herkunft durchtränkt. Der Unbekannte führt möglicherweise einen Baseballschläger mit sich, der offensichtlich zweckentfremdet mit äußerst brutaler Gewalt auch gegen Menschen eingesetzt wird.
Der Akte ist ein Ausdruck des Videotapes beigefügt. Aufzeichnungszeit: 23.17 Uhr.
Verfügung: Gesicht mit Bildbearbeiter isolieren, aufhellen, Person mit bereinigtem Foto zur Fahndung ausschreiben.
gez. J.-J. Duprè
Lt. Oberstaatsanwalt
Tanzlehrer
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Er schwang sich wieder auf, fiel erneut in ihre Arme, sie pochte mächtig mit fließendem Haar ihren Unterleib ihm entgegen - nur, um ihm im letzten Moment den Höhepunkt doch noch zu verweigern. Er seufzte. Sein Blick glitt über Sommersprossen und Gesicht, saugte eine fantastische Übereinkunft auf. Er schwitzte, sie schwitzte. Augenlichter glühen. Und es gibt nur diese, unsere Welt.
Der Tag, die Stunde. Er betete, dass dieser Traum nie vergeht.
Ankh
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In seine Benommenheit von dem heftigen Schlag aus dem Nichts mischten sich weitere Gedankenfetzen aus ferner und naher Vergangenheit. "Seltsam", murmelte er für sich selbst vor sich hin, während sein Hirn versuchte, die Bewegungen von Fingern, Armen und Beinen wieder zu koordinieren. "Seltsam, dass der Mensch selbst nach dem scharfen Schnitt des Sensenmannes noch in der Lage ist, sich an verfickte Exzesse zu erinnern."
Sein Kopf dröhnte wie ein Schiffsdiesel mit Motorschaden, und das Blut pochte in seinen Schläfen, als wolle es seine Augen aus den Höhlen hämmern.
Vorsichtig tastete er im Dämmerlicht um sich.
Die Finger fühlten nur klebriges Nass, das süßlich-dunkel um ihn herum den Fliesenbelag markierte.
Tanzlehrer
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Das ist kein Honig, durchschlug es ihm, mein Kopf - meine Fresse. Er stöhnte einer ungeliebten Wachheit entgegen, tastete recht aufgeregt in einem fast völlig dunkelen Raum umher.. er rutschte wieder auf den Ellenbogen schlagseits.
Wieder fummelte er aber am Boden entlang, nahm den Finger in den Mund. Sulfat! Es erinnerte ihn an Schwefel, einem Hauch Zucker .. Verdammt! Mit wilden Bewegungen fuchtelte er suchend in der Düsternis nach seinem Revolver, doch da war kein Revolver mehr, da war eine erste gewaltige Panik, die durch seinen geschundenden Körper Besitz ergriff. "Ruhig", versuchte Bronco, "locker bleiben!", betrug er sich zielgerichtet.
Jetzt, im zweitem Gedankengang, erschlich sich die Erkenntnis des Ausgeliefertseins in einer unbekannten Situation, an einem unbekanntem Ort, mit lebensgefährlichen Chemikalien; näher noch als eben ihre Lippen auf seine Haut. Verdammt. VERDAMMT NOCHMAL!
Ankh
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Bronco zog die geschändeten Reste seines Körpers zittrig durch die klebrige Dunkelheit und hatte das Gefühl, in seinem Schädel würde jemand Schmerz pur mit mehreren Linien Koks zu einem Höllenfraß verquirlen.
Er kroch nun in eine Richtung, hoffend, irgendwann auf eine Wand zu stoßen.
Bingo! Nach gefühlten vier Kilometern ertastete er so etwas wie eine Fußleiste.
Bronco versuchte, sich aufzurichten und brach wieder zur Seite weg wie ein vollgesogener Mehlsack. Das Atmen fiel ihm schwer, zumal er das unangenehme Gefühl hatte, dass in seinen Lungenflügeln Reste von noch flüssigem Blut vor sich hingurgelten.
Im zweiten Versuch schaffe er es, sich auf den Boden zu setzen und sich mit dem Rücken gegen die kalte Wand zu lehnen. Mit flatterndem Griff tastete er seinen Nacken und sein Kinn ab. Keine Unauffälligkeiten - von den Schwellungen abgesehen. Zehen und Hände waren beweglich, Knie und Ellbogen ließen sich beugen, auch wenn es schmerzte, als hätte er einen Marathon hinter sich.
"Verdammt. In was habe ich mich wieder reingeritten. Schon wieder. Bin ich mit einem Haufen verschissenen Schicksal verheiratet?" knurrte Bronco zwischen seine Zähne hindurch.
Tanzlehrer
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Vadim zählte nochmal das Geldbündel gründlich durch, "Es waren 3000 Dollar ausgemacht, das sind 1500!", das ihn die zwielichtige Gestalt eben übergeben hatte, unten im Kühlraum des Hotels. Schweinehälften hingen eisgefroren von Haken hinab, Kartons mit Fisch lagerten in der Ecke. "Ihr habt doch Bronco, oder? Also .. her mit meinem Geld!". Die zwielichtige Gestalt kicherte nur leise ..
Ankh
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Jasmin zog wieder an der PALL MALL, ein Rechnungswesen legte neben dem Tellerchen und dieser fast vergnügt ausgetrunkenen Tasse ein schwebendes Zettelchen mit ernster Zahlungsaufforderung hin. Sie blickte auf; der Mann, in weißer Schürze um die Hüfte, wogte auf seiner Statur auf den anderen Fuß hin, vermied einen direkten Blick. Und als wüsste sie nicht, empfing sie noch einmal diese letzten Sonnenstrahlen, die in einem Orange das Dämmerungslicht einleiteten. Der korbgeflechtete Stuhl knarzte bedrückt, als sie aus ihrer linken Gesäßtasche ein paar Geldscheine ziemlich flüchtig und heftig entließ, während sie nochmal vergeblich den Blick zu dem vermeintlich aufregenden Kellner suchte, der ihr ganz kurz eine verheißungsvolle Zukunft zu versprechen schien.
Das Bronco Konstrukt 26 - Finnische Gardinen vergilben nicht
Als sie dann über die Strasse auf die andere Bürgerstiege vor ihr stieg, sich im Vorübergehen in den Schaufensterscheiben kontrollierte, ihren Revolver dabei fest unter den Hosenbund verschob, blickte sie sich um. Und sich durch das lange blonde Haar strich; auf einmal waren diese Helsinki Momente plötzlich wieder so so präsent offenbar, so, wie sie seinerzeit sich einmeißelten. Unterwegs zog sie nochmal die kleine Schmuckschatulle heraus - da fehlte der Schlüssel darinnen - öffnete sie nicht, verbarg sie wieder zurück.
Da vorne also das Hotel, wo Bronco vor drei Minuten aus einer Menschenmenge einwärts entglitt. Sie kümmerte sich nicht um die Kinderwagen mit bunten Schirmen, den fließenden Verkehr aus kleinen Autos bestehend - manche hupten - den nüchternen und belanglosen Menschen ihr entgegen. Sie dachte unentwegt an Helsinki. An diesen folgenschweren Abend, der sie festhielt wie Steinbrocken über zertrümmerte Beine festhalten, wie an ein Kunstherz das implantiert werden wird, sie sah ihr Kind verbrennen - das ihre kleine Hand ihr entgegen streckte mit diesem letzten, einzigem Blick. Jasmin durchfluteten Wellen der Wut und niederschmetternder Gewalt. Und das machte sie groß, hoch erhoben. Sie konzentrierte sich, blieb bei einer kalten Sichtweise stolz und frei von Hoffnung.
Eintausend. Eintausend Stunden noch. Neben dem in Backstein gefasstem Hoteleingang Vorsprung waren zwei Stufen, die ins Innere führten. Da war eine Flügeltüre, die in glitzernden Mosaikstücken das Licht in drehende Prismen verwandelte, Jasmin sah sich verwirbel in diese Reflektionen verwischen, griff wieder hinten zum Revolver, der nur darauf wartete.
Ankh
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Der entscheidende Schritt durch die Tür und Jasmin war wieder ganz Profi. Ihr Blick schweifte durch die Halle, Sie taxierte jeden einzelnen darin, schätzte Verluste und Risiken ab und ging dabei gelassen Schritt für Schritt durch den grossen Raum.
Ihr Unterarm stiess immer wieder leicht gegen den Revolver, erinnerte sie mit jedem Schritt an Ihren Auftrag.
Tach auch
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Die Gedanken an vergangenes kamen wieder hoch, die Halle, der Geruch, die Geräusche. Bronco und sie, Zimmer 7. Sie würde es nie vergessen. Ihn nicht und die Folgen dieses kurzen Stelldicheins.
Tach auch
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Es roch muffig. Bronco spuckte aus, schmeckte Blut... seine Zunge tastete vorsichtig das Innere seines Mundes ab. Scheiße.
Vorsichtig versuchte er, sich auf den rutschigen Fliesen abzustützen und aufzurichten.
Wo war er???
Das dämmrige Licht gab nur wenig Preis, Fleischerhaken hingen an der Wand, eine Winde mit Schweinehälften von der Decke. Bottiche dampften um ihn herum, füllten die Luft mit dem Gestank alter Gedärme.
"So lange es nicht meine sind" schoß es ihm durch den Kopf und sein schmerzender Mund verzog sich zu einem schiefen Grinsen.
Seine Hand bewegte sich langsam Richtung Hinterkopf. Eine Beule, groß wie eine Walnuss, er tastete vorsichtig und unterdrückte einen Fluch.
Death
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Etwas ..
ein Schritt weiter noch, die zwei Jungs, langsam sank sie nur ein Stückweit. Und Stille. Geraschel. Nervosität. Ihr Handgelenk zitterte den Revolver ganz vorne genau, ihr anderes Auge blinzelte zielgerecht, plötzlich wieder diese Stille.
Vor ihr, atemlos, drüben diese Männer, PANG! .. etwas . Jasmin feuerte - mehrere Handvoll Patronen in die Menge, überhand. Am Tresen flogen Tagebücher endlich unendlich, der Fahrstuhl zitterte, Lichter erloschen!
Der eine Kerl krachte, beidhändig vorsich, ziemlich am Eck vorbe .. ZWirrzz .. getroffen, griff schnell zum Bauch, wollte überschlagen, eine Menge Blut spritzte hoch, etwas Endgültiges hob hoch, mit dem Rücken schlug er an der Wand und glitt eptileptisch .. PANG PAANG!
Nun weiter, drüben! Jasmin .. der Fahrstuhl! Rolltore aus massiven Eisen schlugen zu, ihr .. zu spät! Mit dem Halfter ihres Revolvers schlug sie dumpf gegen die Verschlossenheit. Und ganz kurz, nur ganz kurz, atmete sie auf, ließ den Schacht auf und nieder. Oben war ein Halbrad, das mit einem Jugendstil verfassten Zeiger die Stockwerke Grad um Grad darstellte. Jetzt drehte sie sich wieder, der empörten und verschreckten Menge wieder entgegen, die in einem gedämpftem Licht und einem Jazz Potpourris einfach nur still stand. Neben ihr flatterte eine Schwingtüre leiser, Gerüche und Töpfe hoben und senkten sich dahinter.
"Ich gehe wieder raus", beschied Jasmin, "HAUT AB!". Mit einem Aufjaulen spreitzten die Anwesenden, nur Wenige, zur Seite. Da war der Mann hinter dem Tresen. Diesmal hielt Jasmin den Revolver unterhalb, schoß während ihrer Schritte einmal in die Fliesen vorsich, die zerbrachen und verstaubten, mit ihrer Linken schob sie die eine Flügeltüre wieder auf, nahm die Beine unter ihrer Hand, riss den Blumenbestückten Hut vom Kopf, rannte rüber diese von Neonlichter ehemals bekannte Strasse auf die andere Stiege zu, drehte sich noch einmal, hielt nicht mehr inne.
Ankh
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Diese Düsternis, dieses dann eben, ließ nicht locker. Es gab kein Immerhin. Folgenschwer, wurde Bronco gewahr. Vadim. Die Jungs. Und, schlimmer noch, sein Revolver. Dunkel und fest packte ihn diese Stunde um Stunde um Stunde.
Der Fiese ließ den Kühlraum einfach so zuschnappen, hielt ein kleines Bündel voller Geld so nebenbei, verriegelte mit einem leichtem Ruck ein eisernes Schloß in das Gefüge, meinte "mach das Licht an". Der Sven schlurfte zum Lichtschalter, über seine Schulter hingen Vadims Schuhe baumelnd. London Oldschool, klickte diesen Drehschalter an. Eine mit Drahtgestell umfasste Glühbirne erleuchtete nun gebogene Ziegelsteine, die ihm Keller Wege und Decken und Flure ausmachten. Hinten, weit weg, schwang immer noch eine jetzt gezündete Birne Schatten und Licht, nicht sehr hell, aber wie einem fernen Wegweiser gleich. Der Fiese ging Sven hinterher, ohne auch nur einen einzigen Blick Vadims Eisgrab rückwendent.
Ankh
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Sauerstoff wummerte durch ihre Lungen, sie rannte wie der Teufel hinter der Seele her.
"Der letzte" hämmerte es in ihrem Gehirn... der letzte Auftrag. Nie wieder einen Revolver auf Menschen richten, die nicht wußten, warum sie gerade durch ihre Hand sterben sollten, die sie anschaueten, nichtmal ängstlich, eher verblüfft.
Lauf, Jasmin. Noch einige 100 Meter, dort drüben. Der Van. Du schaffst es!
Tach auch
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Und lief, so sehr im freien Fall, die kleine Schachtel in ihrer Hand, den Revolver wie einen Staffelstab schwingend, hinter sich den Lärm einer großstädtischen Aufregung, Sirenen und Lichter; vor ihr wischen die wenigen Figuren ihren Lauf erschreckend Platz - ein Gezeter und Geschrei und Hektisches - Jasmin unterwegs! Ihr Blick stolpert über die Schulter zurück zum Hoteleingang, und da ist .. °keuch° .. alles .. Blitze leuchten auf, kleine Kristalle, vier oder fünf. Neben ihr splittert Holz aus nahen Fenster auf die Bürgerstiege, sie weicht im Rennen aus, Mörtel aus ehemaligen Putzverbund explodiert vorbei neben ihrem Gesicht, das nun ganz genau geradeaus den unter Dampf stehenden Wagen noch näher heranwünscht.
Ankh
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Ihre Absätze tackerten im Stakkato über das Pflaster, so, als würde ein Kind eine Handvoll Kieselsteine nach der anderen auf ein Blechdach werfen.
Die Schritte der Verfolger konnte sie nicht richtig wahrnehmen. Ihr Blut rauschte zu stark in ihren Ohren, und die ihr hinterher hetzenden Schatten trugen Sportschuhe - so, als hätten sie sich Moos unter die Fußsohlen geschnallt.
Wenn nur Zeit bliebe, zu verschnaufen... Bronco, ihr ADAC in adrenalingeschwängerten Situationen, war nicht zu sehen.
Verdammt, sollte sich Helsinki wiederholen? History never repeats... elende Dreckslüge.
Sie hatte nun das Gefühl, die Lunge würde sich langsam in blutigen Streifen aus ihrer Luftröhre quälen. Ein leichter Geschmack von Eisen legte sich auf ihre Zunge, als sie den tuckernden Motor des Renault-Komi hörte, der gute 200 Meter vor ihr ohne Licht auf der Straße stand.
War er das? ER?
Tanzlehrer
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Aus dem Polizeibericht :
Der Hoteleingang verdeckt von einer städtischen Müllabfuhr, davor, auf der Strasse, mit einer transparenten Hülle verdeckte Leichen. Das Haus mit einem hell erleuchteten Eingang daneben ist als Bordell bekannt
[Das Fluchtfahrzeug [ Zwei ] [ESt Paris !974] [44.67 TR - u] Nach dem Kastenwagen wird gefahndet.
Ankh
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Ein Tröpfeln unterschied eine Vergangenheit zu einer .. Gegenwart? Wäre es freundlicher, das Ehemalige in Helsinki? Die Fußstapfen klangen so, als würden sie nicht zerstören wollen, wie Fußnoten auf der Klaviatur .. aber doch aufmerksam drüben die Stufen erklimmen?
Finnische Mark, empfand Bronco, haben keinen großen Wert. 1974. Rund Siebenhundert davon schleppte er mit sich herum, am Fjorde über den Hügeln in den nebeligen Segeln, da war ein Bürgerhaus, das in kalter und nackter Unschuld keine Welt und kein Versprechen prophezeite. Das Wasser spiegelte ruhig mit Silber an der Angrenzung, spielte mit der Brandung, ganz weit weg waren Wolken auf stählerndem Horizont.
Ankh
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Sie hastete weiter, holte das letzte aus ihren schmerzschreienden Lungen!
Schlüssel?
Autoschlüssel?
Es war ein Rennen auf Zeit, hinter sich der näherkommende Renault. ER kam.
Vor sich ihre Rettung. Hechtsprung. Hinter den Wagen. Taschengewühl. Quietschende Bremsen!!!
Obermotzi
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Jasmin hechelte die letzten Meter auf den leise tuckernden Wagen zu. Ihre Stilettos glitschten über den nachtfeuchten Pflasterbelag, als sich, Sekunden, bevor sie den Türgriff des Wagens anbeten wollte, wie von Geisterhand bewegt die Schiebetür öffnete.
"There`s no better way to fly" keuchten ihre Gedanken, und sie flog förmlich hinein ein den Van, schmuste mit ihrem Oberkörper die verrauchten Rücksitze an und zog die Beine ein.
"Service wie bei der Lufthansa" ... bleckte eine Stimme aus dem Halbdunkel des Fahrzeugs - so, als wolle sie gleich den obligatorisch abgefragten Tomatensaft kredenzen. War das alles - für diesen Moment? Sie spürte den festen Griff an ihrem Hintern, der dazu diente, sie ganz in das Fahrzeug hinein zu ziehen. Während die Tür zurauschte, quietschten die Reifen unter dem Fahrzeug los wie drogenverseuchte Violinen bei einer Stimmprobe.
Sicherheit. Es fühlte sich an wie Sicherheit.
"Effi?"--- "Effi St.?" raunte eine Stimme hinter einer glühenden Zigarette aus dem Fond.
Verdammt.
Der Unsichtbare aus dem Hintergrund kannte ihren Decknamen aus Helsinki. Ihre Hände krallten sich unvermittelt in die verspackten Polster des Vans.
Verdammt.
Tanzlehrer
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Es presste sie rücklings, in den Sitz, der Van nahm schnelles Tempo an, die engen Strassen flogen .. "Ich glaube Du bist uns noch was schuldig, Effi!". Ein Arm griff ihr von hinten an die Brust, der selbst über die holprigen Strassen Paris auswärts keine Erschütterungen weiter leitete, das Autoradio plärrte Chansons von Ell Bosieun. Der Fahrer, ein Marrokaner aus Tunis wohl, blickte kurz dreitagebart lächelnd rüber, galt Jasmin einen fürchterlichen Blick, aber, wand sich wieder vorwärts, hielt das Lenkrad vibrierend und hektisch auf der Bahn, ein stoischer Blick.
"Mädchen", der Wagen holperte über Schwellen "der Schlüssel für die Schachtel", die andere Hand griff von hinten an ihr Handgelenk, sie wollte und will und mit aller Macht .. ihr Revolver fiel unter dem Sitz. Aus einer Ungerechtigkeit heraus krachte die Busenhand des zwar Bekanntem, ihr doch Unbekanntem, wieder über das Sichtfeld zurück, um sofort mit einem Potenzial über die Schläfe und über das Haupt ziemlich heftig eine mitgeben zu wollen, er schlug ihr mit flacher Hand am Gesicht eintausend Ungerechtigkeiten mitten drauf.
Jasmin ballte ihre Wut, die .. "Hast Du nun kapiert, Du Miststück?", und mittlerweile war die Gegend nicht mehr städtisch, es ging über Felder, der Van holperte wie ein Bauernfahrzeug ungefedert über abgeerntete Maisfelder, der Fahrer schaltete dabei oben am Flies ein kleines, helles Licht ein, lachte irgendwie .. schaute sich um .. fixierte Jasmin als gefälligen, unterirdischen Gebrauchsgegenstand.
Sie atmete tiief, hielt beide Hände auf die Knie, aus der Vorderfront des Vans konnte sie nur ein paar Positionslichter (der Marine, der Telekomunikation) hinter den Waldschneisen vermuten, aus dem Frontblech heraus dampfte Kühlwasser, der Geruch von Landwirtschaft stob durch den kleinen Spalt der Seitenscheibe, jetzt griff ihr der Helsinki Mann von hinten mit beiden Händen an die Brüste - so, wie niemand sie anfassen durfte.
Jetzt stand der Van fest mit einem Rad in einem schlammigen Untergrund, in fast völliger Dunkelheit. Da war ein Weizenfeld, ferne Bäume schwangen im leichten Wind rauschend zurück und wieder. Aus der Führerkabine heraus klang ein Lied von "Led Zeppelin", - we want to °sing° all puporses° - ein flitterndes Zigaretten Anfeuerlicht sprang tänzelnd nach draussen.
PAANG! Sonnenlicht blitzte aus dem Innen auf, das Wagenblech ließ schotternd nachhallen. Die Lebewesen an ihrem angestammten Platz schreckten auf, flatterten nieder, zirpten schnell weiter ihre beiläufige Melodie dem tagtäglichen Gang der Natur entgegen.
Ankh
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1982
Oben flatterte ein Riesenrad durch rauchschwangere Schichten von Luft, eine Kaskade von ganz schmalen, sehr eingebundenen schwarz/Weiß Kontrasten gleich glitt ziemlich scharf durch diesen einzigen Lichtblick.
"Fangen wir von vorne an". Der Typ mit verschwitzem Anzug, dieser ungelenk fabrizierten Krawatte, ohne echten Knoten fabrizierter Scheußligkeit auf bläulichen Hemd, drehte leicht knirschend die aluminierende Kugellampe Wucht genau in sein Gesicht. "Das Hotel hatten wir schon", er nahm die Zigarette von den Lippen, "aber .. Zimmer 312 ..!".
Da war ein hochgewachsener Sonstwer, er stellte Bronco einen Becher kalt dampfenden Automatencoffee hin. Vor sich, auf einem Metalltisch. "Wir haben die Schweinerei in dem Kühlhaus gesehen", der Mann blickte rüber zu der Mattscheibe, "dann diese Angelegenheit mit der Frau", Bronco blieb still. Zu lange her. 1979. "Wir haben auch", sein Anzug beugte sich näher "deinen Revolver, und Deine Patronen". Gewinnbringend erhob sich der Träger leise, ohne den Blick zu verlieren. Bronco blieb einfach so. Der Träger nahm es wahr, es machte ihm nichts aus. Vorne, auf dem Tisch, lag diese Akte. " Also, Helsinki", er drehte den Lichtkegel wieder näher an Broncos Gesicht, "willst Du mich verarschen!?".
Bronco blieb ungerührt. Er ließ sich nicht von Dampf und hellem Licht verschüchtern, keine Männer könnten ihn auch nur irgendwohin verführen. Einfach so. Er ließ es über sich ergehen.
Ankh
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Bronco wußte, dass alles weitere nun schmerzhafte Routine werden würde.
Seine Reaktionen, die elegant-dezente Eskalation der Methoden auf der anderen Seite des Tisches, das kühle, mit einem lockeren Eischnee-Lächeln unterzogene Spiel der Gesichtsmuskulaturen hüben wie drüben.
"Wissen Sie", sagte Bronco nach einer längeren Kunstpause, die durchwabert wurde vom Rauch polnischer Zigaretten, "wissen Sie, mich drängt es, Ihnen von meinem achten Weihnachtsfest zu erzählen."
Die Stieraugen auf der anderen Seite glotzten ihn mit in die Pupillen gemeißelten Fragezeichen an.
"Mein Onkel war ein begnadeter Bastler. Er konnte, wenn er wollte, aus einem Toaster einen Rasierapparat bauen - aber für die Nasenhaare."
Einer seiner Antagonisten begann, sich die Fingernägel mit einem Brieföffner zu reinigen und streifte die Trauerränder von der matten Klinge an seiner Cordhose ab.
"Er hatte es geschafft, aus einem ausrangierten Papp- und Gipsmodell der städtischen Bauverwaltung eine Modelleisenbahn zu zaubern. Extra für mich."
Bronco rührte mit einem Finger in dem lauwarmen Kaffee herum, den sie ihm lieblos in einem zerknautschten Pappbecher auf den Tisch gestellt hatten.
"Er verstand es, aus abgehalftertem Mist Geschenke zu zaubern. Und Sie sind dabei, es ihm nachzumachen."
Bronco lutschte den Finger ab, als hätte er vorher sonstwo gesteckt.
Das blasse Milchgesicht gegenüber begann, seine Gesichtsfarbe in mattes Gelb zu verwandeln und versuchte, seinen Gesichtsausdruck in das eines Typen zu ändern, der Eiswürfel pinkeln konnte. Wenn da nicht das leichte Zittern im Cordanzug zu sehen gewesen wäre...
Tanzlehrer
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Aus dem Polizeibericht
"Vergleichbarkeiten wurden herangezogen, auf einem Versuchsgelände wurden entsprechende Crash Anordnungen dargestellt [Akten]"
"Bei Tageslicht sind die weiten Sichtfelder offenbar, drüben sind im weißem Schaum Aufräumarbeiten im Gange zu erkennen, ein kühles Temperatur Empfinden."
Ankh
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Jasmien enthielt sich, zuletzt diesem Revolver .. ein Haufen Last viel von ihr ab, sie entledigte sich den Händen eben noch auf ihr, ein Zittern zerschneidet ihre Extremitäten.
Dann war da diese Mechanik, eine Extremsituation, das plärrende Radio, das keine Spiele mehr spielte, die unheimlich bedeutungsvolle Unwelt auf zersplitternden Glas, Blut auf ihrer Haut, das summende Licht .. Ein Schock, so ihre Hinterkopfwelt, schaltete auf sofort. Ihr wehten nämlich strenge Unwirklichkeiten durch Momente, dem Leben, durch Gelichter. Der Helsinkimann. Schwerer Atem hielt in hinten, auf dem Fond querliegend, am Leben. Seinem letzten Leben.
Augenlieder flimmern braune Augen hinter Vorhängen. Die Schachtel rutschte ihr fast aus den Fingern.
Nur einen Schritt draußen noch, verfügte Jasmin aufgelöst. Sie griff nach einem Habel, an einem Blech, knallte ihren Oberarm gegen die Entlassungsmachbarkeit; die, endlich wuchtete auf, gleitete fabrikneu nach hinten auf geöltem Weg.
Und da war wieder diese Landwirtschaft, die nun unerwarteten Positionslichter, das Flattern und Rascheln der Lebewesen, die Düfte dieser plötzlichen Welt. Jasmin kugelte aus dem nicht mehr fahrbereitem Van auf teils trockene Wege, nun herausleuchtend beleuchtete Teppiche aus Hindernissen und Halmen und Gewächsen, beäugte beim rollen kurz, aber aufgeregt, die Nacht um sich herum, roch Wiesenduft. Vorne, der Fichtenwald, ihrer Flucht das geeignete Ziel.
Ankh
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Bronco hat übrigens einen Sohn, er ist fünfzehn Jahre alt und verliebt (in seiner Pubertät), trägt blond gelocktes Haar und treibt sich nicht nur in Bibliotheken herum, sondern auch in Discos und Etablissements.
Der Sohn ist ähnlich verwegen (ein Statuen Kletterer, fährt gerne Motocross mit überdrehten Maschinen im Gelände) wie sein Vater, hat ein Knopfloch zuviel offen im Marinehemd, sieht unverschämt gut aus und weiß mit Frauen umzugehen.
Bronco missfällt der Lebenswandel seines Kindes, es erinnert ihn zusehr an seine eigene Herangehensweise damals dem Leben näher. Seit Jahren gibt es zu dem Kind und seiner Mutter keinerlei Kontakt mehr; eine schwergekerbte Wunde bis in Träume hinein.
Ankh
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Über stolpernde Kleinigkeiten, der Wald von vorne. Jasmin überrannte kleine Hügel, fiel fast in Nester wie mit Rippenbrüchen. Kein Licht. Kein Sehen.
Keine Wiederkehr? Sie stoppte das Hetzen, lehnte an einem ersten, festem Birkenstamm, viele Stämme waren dort; rutschte dem schroffen Baumstamm verbergend mit dem Hosenbund nach unten. Ein hastiger Blick vorbei - der Van pulsierte immer noch, keine Gestalten standen draußen oder machten Anstalten; fern war die Furcht, da war das Feuer.
Jasmin prüfte die weiteren Wege. Sie griff in den feuchten Waldboden, atmete wie zuletzt, roch an dieser muffigen Erde, als ob .. ob als ob. Weiter, wurde ihr klar. Weg hier!
Ankh
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- rapport policier citation -
Zwei Zeugen erklärten sich einverstanden die Situation aufzuhellen, die inmitten Paris statt gefunden hat.
Gecaj Ded
und die Bardame Svetlana wurde ebenso vernommen.
Ankh
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Dem Tod so nah. Ohne Waffe, ohne das gewollte, selbsterschaffene Risiko, einfach nah.
Jasmin stemmte sich vorsichtig auf die Hände, unterdrückte ein Wimmern.
Schmerzen durchfluteten ihren Körper.
Ihr orientierungsloser blick schweifte über den Van, die Umgebung, ihre zerschundenen Knie, sie richtete sich langsam auf. Nein, keine Möglichkeit, so davonzukommen, ihr linker Knöchel trug sie nicht mehr.
Dort hinten. Ein langer, dicker Ast.
Sie fiel wieder auf die Knie und begann ihren mühseeligen Weg.
Vorsichtig schon Sie sich Stück für Stück vor. Dort hinten. Vielleicht 50 Meter, mehr nicht. Mit einem gebrochenen Fußgelenk eine Ewigkeit.
Katia
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Jasmin spürte dieses erbärmliche und hilflos machende Pochen in ihrem Bein und hatte das Gefühl, als würde sich jeden Moment ein unsägliches Alien aus einer aufplatzenden Wunde herausquetschen.
Auf den Knien und Ellenbogen robbte sie nun im Zickzack durch den Moder, hoffend, dass das gnädige Dunkel der Nacht ihre Spuren halbwegs verwischen würde. Wenn da nur nicht ihr schmerzentstelltes Keuchen wäre, das jede Tarnung zur Makulatur verkommen ließ.
Jasmin zerrte ein Taschentuch aus ihrer Jeans und stopfte es sich in den Mund. Wenn sie schon nicht in der Lage war, ihren Schmerz zu dämpfen, sollte wenigstens der röchelnde Klang ihrer Agonie ungehört bleiben. Aber noch hatten sie sie nicht an dem Punkt, von dem aus die letzte Reise angetreten werden musste. Noch nicht.
Ihre Hände wühlten sich durch das nasse, dunkle Laub.
Die tiefe Mulde im Boden tat sich überraschend auf. Ein alter, verlassener Dachsbau, etwas zu groß geraten. Sie glitt, so gut es ging, hinein und schob mit rudernden Bewegungen Laub über ihren Körper.
Das Taschentuch quoll an. Blut, Speichel, Erde. Nacht. Schmerz.
Und dann dieses unbarmherige Rascheln. Schritte, die durch die Nacht stapften und näher zu kommen schienen. Jasmin war kurz davor, ihr Herz in das Taschentuch zu kotzen.
Tanzlehrer
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Es sah sein Lächeln, ohne Spiegel, durch seine Augen aussich heraus pulsieren; kraulte sich mit der einen Hand am Unterkinn. Verschmitzte Züge spielten an den Grübchen. Ein wenig bebte die Lippe, er neigte nun sein Antlitz sachte in den Nacken, schloss dabei die Augenlider, tippte mit dem einem Fuß auf dem Boden, lehnte sich ab vom Tisch und auf nur zwei Stahlstuhl Beine ein paar Grad zurück, griff sich gewohnt in das volle Haar.
"Ich werd aus dem nicht schlau", der Wichtige blickte Bronco durch das verspiegelte Glas hindurch eigentlich nochmal schon nah bemerkenswert präzise an, "Helsinki scheint es nicht für den gegeben zu haben". Ein Rascheln und Raunen der zwei weiteren Personen im Beobachtungszimmer erhöhte sich, ein Telefax knatterte vorne am Sideboard, Durchatmen und Zigarettenrauch wirbelten ihre eigene tanzende Atmosphäre in vorher stehender Luft, ein paar orangene Blinklichter. "Lassen wir den Wichser gehen. Phil und Jones sollen sich an seine Fersen heften" . .. die Schachtel .. . "und vergesst nicht! Die Schachtel!". Ein Riesenspalt Sonnenlicht öffnete sich türweit, ein .. nein zwei Typen drangen auf einen Flur, schlugen sofort den Spalt wieder in das Dunkel zurück verschließend.
Ankh
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Polizeibericht:
Paris 1979. Im Hinterhof. Das Hotel. Vadim, erhängt noch! Jeanshose, helles Hemd, dunkele Lederjacke bis über die Ärmel gezogen; eine Plastiktasche zum ersticken über den Kopf gezogen (Detailfoto von zwischen den Wegen wird nachgereicht werden).
Ankh
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Laub überall, es schien bin in ihre Lungen zu rutschen bei jedem Atemzug.
Jasmin versuchte trotz der Schmerzen flach zu atmen, sie so leise Luft zwischen den modernden Blättern in ihre hämmernden Lungenflügel, presste die Augen fest zu und lauschte.
Schritte.
Füße wühlten sich durch den Waldboden.
Wie viele waren es? Einer? 2 Personen? 3?
Panik wollte hochkommen, Jasmin biss fesster auf ihr Taschentuch und schluckte trocken.
Eine Bewegung.
Dierekt über ihr.
AUF ihr. Laub wurde beiseite gewischt, berührte ihr Gesicht und verschwand.
Vorsichtig öffnete Sie die Augen.
Steffi81
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In Helsinki, ein kühles festes Weiss stob auf, als er mit einem Lederhandschuh zu diesem Geländer griff, das schwankend von der Fähre aus mit dem Festland verbunden war. Er taumelte auf, mit dem Boden unter unruhiger See. Eiskristalle fielen zu Boden.
"Geben sie mir ihre Hand!", brüllte ihm ein hektisch in einer Eskimomütze versteckter Landsmann wohl wischende Hand dem Schnee aus dem Wind weg, Sturm aus seinen Gesicht wehrende Mann, "Hier! Halten sie sich fest!"; wieder wog das Schiff nach hoch oben, die helfende Hand verschwand wieder - ein kält springendes Wogen nahm den Magen mit nach unten, zwei Meter oder zweihunderttausend. Bronco klammerte sich an das rettende Holz, der Fuß rutschte an der Kante.
Ankh
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Drei grimmig gewalttätige Männer, vielleicht vier, gingen mit gemächlichen Tempo den Waldboden ab. Einer hatte eben eine feuchte und moderige Fußsohle neben ihr in den Grund gerammt; Jasmin blickte äußerst knapp und in nicht mehr knapper Panik dem anderen Fuß entgegen, der nun einen Schritt weiter mit hinterher raschelnden Herbstblätter vorwärts schritt, wie einen gleich zuschlagenden Amboß gleich, der ihr die Nacht noch dunkler machte in diesem Zeitlupenmoment vorbei über ihr unentdecktes Gesicht.
Sie pumpte, wollte ächtzen, drehte sich noch flacher in den Boden, atmete nicht, denn eine weitere Gestalt drängte jetzt ihren Schatten zwischen die altgewachsenen, hoch aufbäumend streckenden Birkenstämme genau auf sie zu; Jasmin vergrub sich (leise?) tiefer, nur hoch oben ein paar Augenblicke aus verdrehtem Augenwinkel, die Panik war keine knappe mehr, ihr schoß das Blut - mit drängenden Stössen - in das auf Hochtouren dem Limit hingebendem Herzen. Der Revolver! Jasmin kalkulierte ihr Leben zurück, ihr Wohlgefühl als Kind im Schoß ihrer Elte .. Der Revolver! DER LIEGT DOCH NOCH DA! IM WAGEN! UNTER DEM SITZ!
Jetzt war die endgültige Situation da, das unbarmherzige Entgegenstellen von leben oder sterben. Jasmin riss ihre Arme hoch, aus dem Laub, gelenkt von Instinkt, griff zu einem langen feuchten Ast, erhob sich rauschend auf allen Vieren - brüllte dabei und schwang PONG! .. sie sah einen Schatten niedergehen, fand sich in einem Birkenwald schwankend wieder; mit Lichtern zwischen Stämmen, mit Stimmen wie aus einem fernem Labyrinth.
Sie rannte los. Sie hatte soviel Kraft. Der Revolver unter dem Sitz.
Ankh
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Und hatte sich überschätzt. Rennen mit gebrochenem Knöchel? Sie konnte viel, aber nicht fliegen. Aufschrei. Aufbäumen. Schmerzverzerrtes Gesicht. Und im Rücken das schwere Gewicht des Schäferhundes, der sie umsprang, ihr in den Nacken klatschte.
Sturz auf den Waldboden, das Gesicht in den Dreck. Geruch von nassem Laub, Mund voll.
Husten.
Die Tränen schossen ihr in die Augen, Schmerz, Panik, Verzweiflung und die erste Resignation.
Tach auch
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Der Hund ließ fletschend seine Kiefer mittendrin reißen; Jasmin klopfte noch mit dem Gehölz auf ihn drauf - zögernder, verlierender, einem Ende hingebender.
Ankh
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Der junge Momst Harri bebte mit dem Schwanken, zog Bronco endlich auf seiner Seite, der unglaublich durchnässt und schwer wie ein Wal auf das aufgewühlte Feucht des Obenholz schlitterte, verdreht und überschlagend 1974 vor Helsinki, noch gerade so an das Ufer wie gezerrt. Und die Wellen schlugen überhand, Brandung krachte wie Stahlplatte auf zarter Haut.
Ankh
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Gnädige Ohnmacht umhüllte Jasmin, nahm sie mir hinweg, spülte ihre Schmerzen weit ins Land.
Wo war sie?
Die Augen geschlossen.
Geräusche.
Flüstern.
Lachen.
Rascheln von Papier.
Ein Fernseher.
Wasserkessel.
Gerüche.
Speisen.
Modrige, stehende Luft.
Schweiss.
Tabak.
Die Augen weiter fest geschlossen horchte Sie in sich.
Ihr Rücken schmerzte.
Der Fußknöchel.
Die Arme. Sie konnte eine Hand bewegen. Die andere.
Steffi81
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"Du spinnst wohl, da mache ich nicht mit!", Sven eröffnete die Konfrontation, "für Totschlag bin ich nicht zu haben!". Die zwei Männer in dieser .. "sie hat diese Schachtel nicht! Sei Du mal lieber froh, wenn sie überhaupt überlebt!".
Der Andere sank auf einem Stuhl, griff sich an die Stirn, gestikulierte ermattend. Neben dem Stuhl war die Minibar, er öffnete sie aus dem Sitz müde lächelnd heraus, das kleine Barlicht erhellte den fast dunkel verhüllen Raum schwach schimmernd .. "wir können die Lady nicht hier einfach liegen lassen .. ". Er zog aus der Lichtquelle einen Wodkadrink nah an sich, "DIE ALTE MUß WEG!". Justus hob den Blick, schleuderte mit einer ersten ernsten Ernsthaftigkeit glasklar endgültig Sven die Entscheidung in den Leib, drehte dabei aus seinen Finger eine Zigarette an den Mund, "wir diskutieren nicht, hast du das kapiert?"; er öffnete den kleinen Drehverschluß des Minibar Wodka Dings, behielt diesen finsteren Blick, seine Stimme wurde echter.
Sven wollte nicht wahrhaben, entließ sich erstmal seiner Wut, vermischte die Machbarkeiten, zögerte die "Gut, wir werden sie an einer Klinik, was weiß ich, aussetzen, irgendwo, dann könnten wir jedenfalls .. . ->
Ankh
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Und wieder Helsinki, diese enorm anziehende Stadt; das Feingefühl von Welten. Ich erinnerte mich an dem Behalt, galt niemandes mehr.
Wir stoben und krochen (ineinander), wir fanden und verloren Stunden um Stunden um Stunden.
Das Bronco Konstruckt 27 - Der Insich Palast
Ankh
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Noch schwach und wehrlos konnte Sie den Lappen nicht beiseite schieben, der sich auf ihr Gesicht presste.
"Chloroform" war ihr letzter Eindruck von der Aussenwelt.
Was war dran an den Gerüchten, daß Menschen wie Sie irgendwann nutzlos wurden? Abgeschoben und ausgetauscht?
Und daß man sie in Russland in Arenen kämpfen liess? Wohl nur Gerüchte, denn es gab keine Zeugen, die berichten konnten. Es überlebte niemand.
Sie betete, sie hoffte.
Dann wurde es schwarz.
Torti
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Ankh, Neustart
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Der Zahn tat höllisch weh.
Tanzlehrer
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Und eine Apotheke war weit und breit nicht in Sicht. Helsinki klappte schon ziemlich früh die Bürgersteige hoch.
Ankh
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Ziemlich spät schon unterwegs, ein paar Lichter in den Fensterfronten glühten nach, beraubte nicht einmal diese Eiseskälte ihr diesen Schmerz. Am liebsten hätte sie eine Zange parat (gehabt) - ohne zu zögern würde sie das pochende schmerzverzerrende .. ach. Irgendwie war es ohnehin zu spät. Ein paar Flocken frischen Schnees fielen ihr noch in das Gesicht, flatterten den Strassenlaternen stückweise von ab. Die Schachtel, darum ging es! Zu spät.
Aber .. so kalt, so wieder auftrumpfend .. sie zückte die Visitenkarte von dem Doktor aus einer Manteltasche hervor, "dr esholm vinjordi", las den Ort dargelegt. Und wieder stiefelte sie durch den Schnee, ließ diese Visitenkarte in eine Innentasche wandern, zog wollgestrickte Handschuhe über atemlose Hände, fasste sich an ihrem pumpenden Unterkiefer.
Jedesmal, wenn der Schmerz eingriff, stand auch das Schneefallen still, wurden die Lichter weniger Licht, hörte das Herz auf zu sein.
Ankh
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Vorneweg war der Kreisverkehr, unentschlossen dieser Birkenbaum mittendrin, Häuser blinkten zwischen den sonnig umfluteten Blätter albinohaft milde hindurch. Samstag, Paris, 15:16. So begann sein Tag, mit kleinen Pausbäckchen hoch oben am fast blauem Himmel, mit noch nicht so recht vom Schmutz befreitem Fußweg vor ihm.
Ankh
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Der Kaffee, mit dem er sich den Schlaf aus dem Mund spülte, lag noch immer zartbitter auf seiner Zunge und den Zähnen, die nun zusätzlich eine frisch gezündelte Gauloises umräucherte.
Gegen halb vier sollte er da sein - es wurde Zeit, den Schritt zu beschleunigen. Mit raschem Handgriff richtete er den Mantelkragen auf, um seinen empfindlichen Nacken vor der kalten Luft zu schützen. Noch zwei Querstraßen, und er würde da sein.
Tanzlehrer
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Schnelle Schritte vor ihm, die näher kamen. Er erhob seinen Blick vom unebenen Muster des Asphalts und erblickte Sie zum erstenmal.
Diesen Tag sollte Er später oft verwünschen.
Zicklein
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Sie war hinreissend, dieser leicht schelmische Blick von unten zu Ihm herauf. Ihr blondes Haar hingt ihr zerzaust über die Augen, sie wischte die Strähnen mit einer schnellen Handbewegung aus dem Gesicht.
Es wußte, sie war eine von denen, die nur eine gewisse Zeit bleiben, dann bringen sie Ärger und gehen oder werden verlassen.
Steffi81
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Beide Hände tief in den Manteltaschen vergraben, beschloss er, ihren Blicken bewusst auszuweichen und begann, die Querfugen der Bodenpflasterung abzuzählen. Das immer näher kommende Tackern ihrer Stilettos machte ihm klar, dass sie aufeinanderprallen würden.
Der Zeitpunkt war äußerst ungünstig.
Tanzlehrer
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"Haben Sie vielleicht Feuer?"
Ihre rauchige, warme, erotisch vibrierende Stimme ließ Ihn erzittern.
Er wühlte mit fahrigen, leicht schwitzigen Händen in den Taschen und ertastete eine Schachtel Streichhölzer. Diese herausziehend hob Er langsam seinen Blick.
Meilenstein
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Jetzt zündete er das Holz zwischen seinen Fingern, führte es an der PALL MALL zwischen ihren Lippen. Ja, eine atemberaubende Frau - ihr Blick erschien im plötzlich wie ein Versprechen zu sein - dieses Haar, dass ihr neckisches Dekolleté umspielte, diese wunderbare Weiblichkeit, die ihn mit voller Wucht traf. Sie lächelte wie ein Mädchen an ihrem ersten Tag.
Ankh
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Tief sog Sie den Rauch ein, ihr Brüste hoben sich, spannten den Stoff ihres Kleides auf der Haut.... Sie schloss die Augen und genoss den ersten Zug.
Er öffnete Seine Augen weit und genoss ebenfalls.
Zicklein
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Er wußte, Er konnte nicht ewig schweigen, der Augenblick war viel zu schnell vorbei.
"Jasmin, wir haben uns lange nicht gesehen" flüsterte Er.
Sie zog kräftig an ihrer Pall Mall, inhalierte den Rauch und liess ihn ganz langsam aus Ihren Lungen entweichen.
"Bronco".
Mehr sagte Sie nicht, aber es reichte, daß sich seine Nackenhärchen hochstellten und Sein Atem schneller ging.
Zicklein
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In den wenigen Bruchteilen von Sekunden, in denen er stoßweise scharf ausatmete, zogen Erinnerungsfetzen durch sein Gedächtnis wie die ausgepresste Luft durch die Nasenflügel.
Helsinki.
Er wußte, dass er dort den größten Fehler seines Lebens gemacht hatte. Verfluchtes Finnland. Und sie stand danach durch seinen Leichtsinn bis zum Hals im dampfenden Mist, den das Leben nur den wirklich zu Bestrafenden bereithalten würde.
Gleichwohl: Ihr war nicht anzusehen, was sie durchmachen musste, und ihre Lebenskraft blitzte aus ihren Augen, dass er das Gefühl hatte, seine Eier würden unter ihren Augen auf Erbsengröße schrumpfen.
Tanzlehrer
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Doch trotz der schon fünf Jahre, die die Helsinki Angelegenheit hinter ihm lag, glaubte er bei ihr diese innige Vertrautheit zu spüren, die auch er für sie verspürte; so, als wäre nie etwas geschehen. Doch behaglich wurde ihm deswegen nicht; er taumelte in schreckliche, skandinavische Ereignisse zurück, auch als sie seine Hand in ihre nahm und ihn an das Eckcaffee lotste.
Als er sich dorthin mittreiben ließ, blickte er nochmal auf seine Uhr. Nur noch knapp 20 Minuten, verdammt! Seine Zeit rannte zwischen ihren Händen, fsat so schnell wie seine vom Schicksalschlägen geschüttelte Jugend in Palermo. Ganz schnell mußte er sich jetzt etwas einfallen lassen, wollte er nicht zum zweiten Mal Jasmins Leben aufs Spiel setzen.
Ankh
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Sie setzte sich auf einen der unbequem wirkenden Korbstühle und schlug die Beine übereinander. Diese Beine. Bronco setzte sich ihr gegenüber und mußte sich zwingen, wo anders hinzusehen, was sie merkte und mit einem schelmischen Lächeln quittierte.
Torti
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Er hielt die Kaffeetasse mit dem heißen, dunklen Saft zwischen seinen Händen, ohne sie abzusetzen. So, als wolle er sich damit das klamme Gefühl aus den Fingern wegwärmen.
Sie schien alle Zeit der Welt zu haben, und ihm fiel es schwer, die in ihm pochende Ungeduld nicht in ihr Lächeln zu transportieren.
"Schöner Zufall..." sagte er leise in ihre Richtung.
"Ja..." erwiderte sie und ließ den Rest des Satzes unvollendet in ihren Augen stehen.
Tanzlehrer
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Zufall, war es das? Sein Auftrag drängte sich in den Vordergrund, verdrängte ihren Geruch, ihr leises Atmen, er wurde langsam wieder klar im Kopf.
WAS TAT ER HIER???
Hastig suchten die Augen das Zifferblatt seiner Armbanduhr. Noch 5 Minuten!
Tach auch
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"Wie hast du es..", Bronco ließ von ihr ab und wechselte seine Gefühlswelt. "Es überstanden?", überrumpelte ihn Jasmin geschickt und plötzlich, "Ich bin wieder nach Chicago zurück", sie rührte mit einem fein gearbeitetem, winzig silbern aufblitzendem Löffel den letzen Rest Kakao, sah wieder auf. "Ich habe es nicht überstanden. Ich werde es niemals überstehen". Entschlossen und älter war ihr Augenlicht , ihr langes Haar wieder spröder.
Bronco verstand sie nur zu gut. Ein Kind zu verlieren ist keine Heldentat, erst recht nicht unter diesen Umständen. Das mechanische Uhrwerk an Broncos Handgelenk lenkte den Minutenzeiger der Fahrenheit Uhr um einen Strich weiter, die Zeit drängte ungestüm. Später würde er Jasmin alles erklären, später! Sein Job ließ ihm nur noch eine Weile Aufschub dulden, jetzt galt es sich von Jasmin zu trennen, andernfalls hing sie wieder mit drin. Aus den Augenwinkeln sah er hinten in die in schwach beginnendes Dämmerungslicht getauchte kleine Pariser UIferstrasse am Hotel einen Kleinwagen vorfahren - Männer mit Reisetaschen verschwanden zügig in dem Eingang. "Jasmin", meinte er aufgeregt als er sich erhob, sie bemerkte seine Nervosität, schüttelte sachte den Kopf, "ich muß jetzt schnell ...
Ankh
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"... zu Vadim. Ich weiß, du kennst ihn nicht - noch nicht. Aber der Termin ist wichtig und duldet keinen Aufschub." Der dämliche Satz "Ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss" schoss ihm durch den Kopf, aber er unterdrückte es, ihr diese wachsweiche Plattitüde an die Locken zu werfen.
"Wir können uns bald wiedersehen. Ich bin noch länger in der Stadt."
Hastig kritzelte er ihr eine Telefonnummer auf einen Bierdeckel.
Der Glanz in ihren Augen erlosch, und er merkte, dass sie erwartet hatte, dass sich die Welt heute nach diesem Treffen nur um sie drehen würde. "Geh." flüsterte sie matt. "Ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss..."
Tanzlehrer
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Bronco blickte nochmal hinab, dann wand er sich von ihr ab und trauerte der Situation hinterher, aber es war keine Zeit mehr für Floskeln oder Feinfühligkeiten aus Gründen der vermeindlichen Erinnerung. Vor sich und dem Hotel waren bestimmt fünfundzwanzig Menschen, nur auf dieser einen Bürgerstiege, im einigermaßen schnellem Schritt begab er sich tick und tack näher vorbei an ergraut mannshohen Mäntel und Kinderwagen mit blaugelbem Sonnenschirm, Frauen mit stolzen Hüten und wehenden Bewegungen, die an Schaufenster lehnten.
Ankh
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Der Geruch von Schweiß gemischt mit teurem Parfum lag über dem Hoteleingang, Bronco grub sich einen Weg durch die Menge, schob seine Ellenbogen in die Menschenmassen.
"Endlich!" flüsterte jemand hinter ihm.
Katia
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Aus dem Polizeibericht:
Vorne der Eingang zum Hotel "Agora", die Strasse runter an der Abzweigung das Eckcafe. Das Opfer wurde im drittem Stockwerk des Hotels, Zimmer 312, mit Schußwunden aufgefunden.
Die dringend der Tat Verdächtigte, Jasmin Franseco, hier abgebildet mit schwarz gefärbten Haar (Juni 1973) wurde in ihrer Wohnung aufgegriffen
Ankh
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Die Stimme schnitt Bronco in`s Hirn wie ein heißes Messer in einen Klumpen Butter. Gleichwohl versuchte er, die Erinnerungen an diesen bekannten, zischenden Klang in den hintersten Winkel seines Hirns zu verlagern. Seine Hände krallten sich in die Manteltaschen.
Zu spät. Er spürte, wie sich eine kräftige Hand im Lendenbereich seines Trenchcoats vergrub und seinen Schritten Einhalt gebot.
"Endlich...!" zischte die Stimme.
Tanzlehrer
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"Vadim!", Bronco ließ sich seine Unruhe nicht anmerken, vorbei gehende Stadtpassagiere drehten im Vorüber nochmal einen bald vergessenden Blick zurück, "musst Du mich so erschrecken, verflucht?". Er stieß Vadims Hand nach unten, umgriff dann aber beherzt seinen Vadim .. Moment! Etwas stimmte nicht!
Hinter Vadim, der diesmal nicht so einen offenherzigen Blick offenbarte, waren über seine kleine Statur zwei in Jeansjacken junge Burschen ganz nah, mit unfreundlicher Mimik und feuchtem Haar, hinweg zu sehen. Der eine fummelte nervös über sein Antlitz, der Andere sondierte die Hotel Eingangssituation. Beide waren aber weiter fixiert. "Bronco", meinte Vadim, "mach keine Schwierigkeiten". Er, und seine unscheinbaren, aber gefährlichen Jungs, "wir gehen jetzt zum Fahrstuhl", drängten nah heran. Ein Schlaglicht umspülte die Konfrontation, die Zeit spurte langsamer, sie verging in Takten unaufhörlich wie frische Liebe vergeht.
Mensch, Vadim, dachte Bronco . Dafür lässt du dich also hergeben. Wie kannst Du nur. Waren wir nicht Freunde? Ich werde dich fertig machen, du Stück Schweinehälfte.
Ankh
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Enttäuschung und Wut mischten sich mit einem angeekelten Blick. Für Geld tat auch Vadim, was andere wollten!
Bronco drehte sich um und ging langsamen Schrittes auf den Hoteleingang zu. Er hörte Vadim dicht hinter sich, seine leisen Schritte, seinen Atmen.
"Es ist nicht, wie du denkst, ich kann nicht anders" hörte Bronco Ihn flüstern, aber er ignorierte seinen ehemals guten Freund und Kumpan im Krieg.
Tach auch
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Aus dem Polizeibericht
Foto Hotelfahrstuhl. Anhang 17.5
Ankh
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Und das, so gut er konnte. Und das während diesem obskur, skurril anmutendem Szenario, dass ihn seinem eigentlich nötigen Auftrag ad absurdum entgleiten ließ. Es ist nicht, wie du denkst .. Die zwei Typen jedenfalls ließen keinen Schimmer Frohgemut erkennen, Vadim schlurfte nun plötzlich an hinterster Stelle den Weg zum Fahrstuhl mit, das junge Rucksack Päärchen am Tresen unterschrieb die Formalien, gebeugt über das Formular.
Bronco entschied sich. Er würde dem Ganzen, jetzt und hier, ein Ende setzen. Zuerst beobachtete er aus einem Augenwinkel über einen Wandspiegel seine Gehgruppe, nicht mehr weit bis zum Fahrstuhl, wenige Schritte noch. Dann kalkulierte er die Möglichkeit, mit seinem Revolver erst Vadim, dann den etwas hageren der Begleiter erschießen zu können .. er verwarf diese Taktik aber wieder, denn so würde der Clevere der Jungs sich, der sich sehr umsichtig nah an Unschuldige und Personal verhielt, nicht ohne Skandal ausschalten lassen.
Ankh
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Eine andere Möglichkeit wäre die Schwingtür rechts von ihm. Wohin ging es dort? Personalräume? Die Zeit drängte, sie waren nun schon fast am Fahrstuhl angekommen.
"Drücken" flüsterte der Hagere hinter ihm und machte eine Kopfbewegung Richtung Fahrstuhlknopf.
Bronco streckte den Arm aus. Jetzt oder nie. Er presste den Knopf, drehte sich plötzlich in der Hüfte und rammte dem verdutzt schauenden Kerl hinter Ihm die Faust in den Magen.
Der klappte zusammen wie ein altes Mütterchen und fiel hinten über, seinem Kumpanen entgegen.
Vadim schaute nur zu und unternahm nichts. War das gut oder schlecht?
Bronco blieb keine Zeit, er stürzte Richtung Schwingtür, sprang förmlich hindurch und versuchte sich in Sekundenbruchteilen zu orientieren.
Tach auch
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Hinter sich schwerer Atem. Ein Blick aus den augenwinkeln. Vadim, keuchend auf seinen Fersen. Flucht oder Verfolgung, was hatte er vor?
Katia
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Aus dem Polizeibericht:
Anlage 12 VII Foto mögliche Tatrekonstruktion
Jamin Franseco, hier von einer Beamtin dargestellt, während ihrer Flucht über das Hoteldach, angrenzend zum Grundstück Rue Dunneo 24.
Ankh
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Er rollte über den Zubereitungstisch, in diesem dampfenden Unbekannt, mit Anlauf darüber hinweg, fiel ungelenk mit einem Haufen Zutaten und leeren Töpfen auf den Grund, Salate wirbelten wie Neuschnee in alle Richtungen, das übliche Geschrei unterschwelgte diese Plötzlichkeit - er sah Menschen in Weiß durcheinander flüchten, Messer und Schöpfloffel fallen, Schwingtüren flattern. Rücklings sich wieder findend, auf nass Getünchtem rutschend, fand Bronco sich nah an einer Kachelwand Ecke, umgeben von Kühlschränken und Vorratsschränken, griff zu dem Revolver, hielt ihn nah vor Augen, klickte die Sicherung der Waffe hastig atmend zurück.
Sein Auftrag, durchdrängte es ihn vor sich hin, Zimmer 312, fluchte er schwer.
Ankh
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Mit einem Knall schlug die Schwingtür an die Wand, Vadim.
Suchend sah er sich um, Bronco drückte seinen zitternden Körper tiefer in den Berg Küchenwäsche, ließ ihn nicht aus den Augen.
"Bronco!" kam es gepresst zwischen Vadims Lippen hervor.
"Ich bin auf deiner Seite, das war ich doch immer! Sie haben Jamin, ich konnte nicht anders!".
Suchend wanderten Vadims Augen, geduckt trat er weiter hinein in den Raum.
Tach auch
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Schummriges Licht drang durch ein spärlich verhangenes Fenster und verriet jeden seiner Schritte. Vadims Schatten wanderten über das Linolium.
`Bronco, ich lege jetzt meine Waffe ab! Sieh her! Ich bin unbewaffnet! Bronco, ich bin dein Freund!! Zeig dich mir! Die Männer draußen sind erledigt. Meine Männer sind da!`
Bronco registrierte jede Bewegung, sah den Revolver auf einem Küchentisch liegen, Vadims Arme hoben sich, er drehte sich um, nirgendwo schien eine weitere Waffe versteckt zu sein.
Katha Strophe
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Und diese zwei Typen? Einfach weg? Vadims was für Männer? "Leg dich hin, Vadim!", Bronco wurde lauter, "leg dich sofort hin, du Mistkerl!". Noch am Boden hockend visierte er Vadim über die Waffe genau zwischen die Augen an, der sich ohne jede Hast keine besondere Mühe machte auf den Boden zu sinken. "Du legst dich sofort hin, du Schwein!", Bronco sprang auf - nicht die zweite andere Türe der Küche, rechts von ihm, aus seiner Aufmerksamkeit entlassend - beugte sich nun zu Vadim hinab und durchsuchte mit der Linken Vadims feuchten Leib nach .. nach ... naaach.. naaaaaach. .. ..
Er begriff noch, etwas hartes hatte wohl gerade seinen Hinterkopf wie aus einer Fassung geschlagen, er stürzte während der jetzt alles einehmenden Bewusstlosigkeit mitten auf Vadim drauf, hörte noch ein Baseballholz über die Bodenfliesen poltern; so weit entfernt und sich wandelnd in schwarz endendes, gepresstes Echo.
Ankh
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Aus der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte 9 Js 588/08:
Asservat 12, Videocassette
In unmittelbarer Tatortnähe sichergestellt wurde in den Büroräumen der Geschäftsführung des Ex- und Importhandels Wong Fu ein Mitschnitt der Überwachungskamera im Eingangsbereich des dem Hotel "Agora" gegenüberliegenden Lokals nämlicher Firma.
Hauptaugenmerk der Ermittlungen ist auf einen 25 bis 30 jährigen Mann südländischer Herkunft zu richten. Muskulöse, durchtrainierte Erscheinung, gelocktes, dunkles Haar, vermutlich dunkle Augen. Bekleidung: Muskel-T-shirt, olivgrün, vermutlich mit Schweiß und menschlichem Blut unbekannter Herkunft durchtränkt. Der Unbekannte führt möglicherweise einen Baseballschläger mit sich, der offensichtlich zweckentfremdet mit äußerst brutaler Gewalt auch gegen Menschen eingesetzt wird.
Der Akte ist ein Ausdruck des Videotapes beigefügt. Aufzeichnungszeit: 23.17 Uhr.
Verfügung: Gesicht mit Bildbearbeiter isolieren, aufhellen, Person mit bereinigtem Foto zur Fahndung ausschreiben.
gez. J.-J. Duprè
Lt. Oberstaatsanwalt
Tanzlehrer
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Er schwang sich wieder auf, fiel erneut in ihre Arme, sie pochte mächtig mit fließendem Haar ihren Unterleib ihm entgegen - nur, um ihm im letzten Moment den Höhepunkt doch noch zu verweigern. Er seufzte. Sein Blick glitt über Sommersprossen und Gesicht, saugte eine fantastische Übereinkunft auf. Er schwitzte, sie schwitzte. Augenlichter glühen. Und es gibt nur diese, unsere Welt.
Der Tag, die Stunde. Er betete, dass dieser Traum nie vergeht.
Ankh
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In seine Benommenheit von dem heftigen Schlag aus dem Nichts mischten sich weitere Gedankenfetzen aus ferner und naher Vergangenheit. "Seltsam", murmelte er für sich selbst vor sich hin, während sein Hirn versuchte, die Bewegungen von Fingern, Armen und Beinen wieder zu koordinieren. "Seltsam, dass der Mensch selbst nach dem scharfen Schnitt des Sensenmannes noch in der Lage ist, sich an verfickte Exzesse zu erinnern."
Sein Kopf dröhnte wie ein Schiffsdiesel mit Motorschaden, und das Blut pochte in seinen Schläfen, als wolle es seine Augen aus den Höhlen hämmern.
Vorsichtig tastete er im Dämmerlicht um sich.
Die Finger fühlten nur klebriges Nass, das süßlich-dunkel um ihn herum den Fliesenbelag markierte.
Tanzlehrer
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Das ist kein Honig, durchschlug es ihm, mein Kopf - meine Fresse. Er stöhnte einer ungeliebten Wachheit entgegen, tastete recht aufgeregt in einem fast völlig dunkelen Raum umher.. er rutschte wieder auf den Ellenbogen schlagseits.
Wieder fummelte er aber am Boden entlang, nahm den Finger in den Mund. Sulfat! Es erinnerte ihn an Schwefel, einem Hauch Zucker .. Verdammt! Mit wilden Bewegungen fuchtelte er suchend in der Düsternis nach seinem Revolver, doch da war kein Revolver mehr, da war eine erste gewaltige Panik, die durch seinen geschundenden Körper Besitz ergriff. "Ruhig", versuchte Bronco, "locker bleiben!", betrug er sich zielgerichtet.
Jetzt, im zweitem Gedankengang, erschlich sich die Erkenntnis des Ausgeliefertseins in einer unbekannten Situation, an einem unbekanntem Ort, mit lebensgefährlichen Chemikalien; näher noch als eben ihre Lippen auf seine Haut. Verdammt. VERDAMMT NOCHMAL!
Ankh
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Bronco zog die geschändeten Reste seines Körpers zittrig durch die klebrige Dunkelheit und hatte das Gefühl, in seinem Schädel würde jemand Schmerz pur mit mehreren Linien Koks zu einem Höllenfraß verquirlen.
Er kroch nun in eine Richtung, hoffend, irgendwann auf eine Wand zu stoßen.
Bingo! Nach gefühlten vier Kilometern ertastete er so etwas wie eine Fußleiste.
Bronco versuchte, sich aufzurichten und brach wieder zur Seite weg wie ein vollgesogener Mehlsack. Das Atmen fiel ihm schwer, zumal er das unangenehme Gefühl hatte, dass in seinen Lungenflügeln Reste von noch flüssigem Blut vor sich hingurgelten.
Im zweiten Versuch schaffe er es, sich auf den Boden zu setzen und sich mit dem Rücken gegen die kalte Wand zu lehnen. Mit flatterndem Griff tastete er seinen Nacken und sein Kinn ab. Keine Unauffälligkeiten - von den Schwellungen abgesehen. Zehen und Hände waren beweglich, Knie und Ellbogen ließen sich beugen, auch wenn es schmerzte, als hätte er einen Marathon hinter sich.
"Verdammt. In was habe ich mich wieder reingeritten. Schon wieder. Bin ich mit einem Haufen verschissenen Schicksal verheiratet?" knurrte Bronco zwischen seine Zähne hindurch.
Tanzlehrer
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Vadim zählte nochmal das Geldbündel gründlich durch, "Es waren 3000 Dollar ausgemacht, das sind 1500!", das ihn die zwielichtige Gestalt eben übergeben hatte, unten im Kühlraum des Hotels. Schweinehälften hingen eisgefroren von Haken hinab, Kartons mit Fisch lagerten in der Ecke. "Ihr habt doch Bronco, oder? Also .. her mit meinem Geld!". Die zwielichtige Gestalt kicherte nur leise ..
Ankh
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Jasmin zog wieder an der PALL MALL, ein Rechnungswesen legte neben dem Tellerchen und dieser fast vergnügt ausgetrunkenen Tasse ein schwebendes Zettelchen mit ernster Zahlungsaufforderung hin. Sie blickte auf; der Mann, in weißer Schürze um die Hüfte, wogte auf seiner Statur auf den anderen Fuß hin, vermied einen direkten Blick. Und als wüsste sie nicht, empfing sie noch einmal diese letzten Sonnenstrahlen, die in einem Orange das Dämmerungslicht einleiteten. Der korbgeflechtete Stuhl knarzte bedrückt, als sie aus ihrer linken Gesäßtasche ein paar Geldscheine ziemlich flüchtig und heftig entließ, während sie nochmal vergeblich den Blick zu dem vermeintlich aufregenden Kellner suchte, der ihr ganz kurz eine verheißungsvolle Zukunft zu versprechen schien.
Das Bronco Konstrukt 26 - Finnische Gardinen vergilben nicht
Als sie dann über die Strasse auf die andere Bürgerstiege vor ihr stieg, sich im Vorübergehen in den Schaufensterscheiben kontrollierte, ihren Revolver dabei fest unter den Hosenbund verschob, blickte sie sich um. Und sich durch das lange blonde Haar strich; auf einmal waren diese Helsinki Momente plötzlich wieder so so präsent offenbar, so, wie sie seinerzeit sich einmeißelten. Unterwegs zog sie nochmal die kleine Schmuckschatulle heraus - da fehlte der Schlüssel darinnen - öffnete sie nicht, verbarg sie wieder zurück.
Da vorne also das Hotel, wo Bronco vor drei Minuten aus einer Menschenmenge einwärts entglitt. Sie kümmerte sich nicht um die Kinderwagen mit bunten Schirmen, den fließenden Verkehr aus kleinen Autos bestehend - manche hupten - den nüchternen und belanglosen Menschen ihr entgegen. Sie dachte unentwegt an Helsinki. An diesen folgenschweren Abend, der sie festhielt wie Steinbrocken über zertrümmerte Beine festhalten, wie an ein Kunstherz das implantiert werden wird, sie sah ihr Kind verbrennen - das ihre kleine Hand ihr entgegen streckte mit diesem letzten, einzigem Blick. Jasmin durchfluteten Wellen der Wut und niederschmetternder Gewalt. Und das machte sie groß, hoch erhoben. Sie konzentrierte sich, blieb bei einer kalten Sichtweise stolz und frei von Hoffnung.
Eintausend. Eintausend Stunden noch. Neben dem in Backstein gefasstem Hoteleingang Vorsprung waren zwei Stufen, die ins Innere führten. Da war eine Flügeltüre, die in glitzernden Mosaikstücken das Licht in drehende Prismen verwandelte, Jasmin sah sich verwirbel in diese Reflektionen verwischen, griff wieder hinten zum Revolver, der nur darauf wartete.
Ankh
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Der entscheidende Schritt durch die Tür und Jasmin war wieder ganz Profi. Ihr Blick schweifte durch die Halle, Sie taxierte jeden einzelnen darin, schätzte Verluste und Risiken ab und ging dabei gelassen Schritt für Schritt durch den grossen Raum.
Ihr Unterarm stiess immer wieder leicht gegen den Revolver, erinnerte sie mit jedem Schritt an Ihren Auftrag.
Tach auch
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Die Gedanken an vergangenes kamen wieder hoch, die Halle, der Geruch, die Geräusche. Bronco und sie, Zimmer 7. Sie würde es nie vergessen. Ihn nicht und die Folgen dieses kurzen Stelldicheins.
Tach auch
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Es roch muffig. Bronco spuckte aus, schmeckte Blut... seine Zunge tastete vorsichtig das Innere seines Mundes ab. Scheiße.
Vorsichtig versuchte er, sich auf den rutschigen Fliesen abzustützen und aufzurichten.
Wo war er???
Das dämmrige Licht gab nur wenig Preis, Fleischerhaken hingen an der Wand, eine Winde mit Schweinehälften von der Decke. Bottiche dampften um ihn herum, füllten die Luft mit dem Gestank alter Gedärme.
"So lange es nicht meine sind" schoß es ihm durch den Kopf und sein schmerzender Mund verzog sich zu einem schiefen Grinsen.
Seine Hand bewegte sich langsam Richtung Hinterkopf. Eine Beule, groß wie eine Walnuss, er tastete vorsichtig und unterdrückte einen Fluch.
Death
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Etwas ..
ein Schritt weiter noch, die zwei Jungs, langsam sank sie nur ein Stückweit. Und Stille. Geraschel. Nervosität. Ihr Handgelenk zitterte den Revolver ganz vorne genau, ihr anderes Auge blinzelte zielgerecht, plötzlich wieder diese Stille.
Vor ihr, atemlos, drüben diese Männer, PANG! .. etwas . Jasmin feuerte - mehrere Handvoll Patronen in die Menge, überhand. Am Tresen flogen Tagebücher endlich unendlich, der Fahrstuhl zitterte, Lichter erloschen!
Der eine Kerl krachte, beidhändig vorsich, ziemlich am Eck vorbe .. ZWirrzz .. getroffen, griff schnell zum Bauch, wollte überschlagen, eine Menge Blut spritzte hoch, etwas Endgültiges hob hoch, mit dem Rücken schlug er an der Wand und glitt eptileptisch .. PANG PAANG!
Nun weiter, drüben! Jasmin .. der Fahrstuhl! Rolltore aus massiven Eisen schlugen zu, ihr .. zu spät! Mit dem Halfter ihres Revolvers schlug sie dumpf gegen die Verschlossenheit. Und ganz kurz, nur ganz kurz, atmete sie auf, ließ den Schacht auf und nieder. Oben war ein Halbrad, das mit einem Jugendstil verfassten Zeiger die Stockwerke Grad um Grad darstellte. Jetzt drehte sie sich wieder, der empörten und verschreckten Menge wieder entgegen, die in einem gedämpftem Licht und einem Jazz Potpourris einfach nur still stand. Neben ihr flatterte eine Schwingtüre leiser, Gerüche und Töpfe hoben und senkten sich dahinter.
"Ich gehe wieder raus", beschied Jasmin, "HAUT AB!". Mit einem Aufjaulen spreitzten die Anwesenden, nur Wenige, zur Seite. Da war der Mann hinter dem Tresen. Diesmal hielt Jasmin den Revolver unterhalb, schoß während ihrer Schritte einmal in die Fliesen vorsich, die zerbrachen und verstaubten, mit ihrer Linken schob sie die eine Flügeltüre wieder auf, nahm die Beine unter ihrer Hand, riss den Blumenbestückten Hut vom Kopf, rannte rüber diese von Neonlichter ehemals bekannte Strasse auf die andere Stiege zu, drehte sich noch einmal, hielt nicht mehr inne.
Ankh
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Diese Düsternis, dieses dann eben, ließ nicht locker. Es gab kein Immerhin. Folgenschwer, wurde Bronco gewahr. Vadim. Die Jungs. Und, schlimmer noch, sein Revolver. Dunkel und fest packte ihn diese Stunde um Stunde um Stunde.
Der Fiese ließ den Kühlraum einfach so zuschnappen, hielt ein kleines Bündel voller Geld so nebenbei, verriegelte mit einem leichtem Ruck ein eisernes Schloß in das Gefüge, meinte "mach das Licht an". Der Sven schlurfte zum Lichtschalter, über seine Schulter hingen Vadims Schuhe baumelnd. London Oldschool, klickte diesen Drehschalter an. Eine mit Drahtgestell umfasste Glühbirne erleuchtete nun gebogene Ziegelsteine, die ihm Keller Wege und Decken und Flure ausmachten. Hinten, weit weg, schwang immer noch eine jetzt gezündete Birne Schatten und Licht, nicht sehr hell, aber wie einem fernen Wegweiser gleich. Der Fiese ging Sven hinterher, ohne auch nur einen einzigen Blick Vadims Eisgrab rückwendent.
Ankh
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Sauerstoff wummerte durch ihre Lungen, sie rannte wie der Teufel hinter der Seele her.
"Der letzte" hämmerte es in ihrem Gehirn... der letzte Auftrag. Nie wieder einen Revolver auf Menschen richten, die nicht wußten, warum sie gerade durch ihre Hand sterben sollten, die sie anschaueten, nichtmal ängstlich, eher verblüfft.
Lauf, Jasmin. Noch einige 100 Meter, dort drüben. Der Van. Du schaffst es!
Tach auch
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Und lief, so sehr im freien Fall, die kleine Schachtel in ihrer Hand, den Revolver wie einen Staffelstab schwingend, hinter sich den Lärm einer großstädtischen Aufregung, Sirenen und Lichter; vor ihr wischen die wenigen Figuren ihren Lauf erschreckend Platz - ein Gezeter und Geschrei und Hektisches - Jasmin unterwegs! Ihr Blick stolpert über die Schulter zurück zum Hoteleingang, und da ist .. °keuch° .. alles .. Blitze leuchten auf, kleine Kristalle, vier oder fünf. Neben ihr splittert Holz aus nahen Fenster auf die Bürgerstiege, sie weicht im Rennen aus, Mörtel aus ehemaligen Putzverbund explodiert vorbei neben ihrem Gesicht, das nun ganz genau geradeaus den unter Dampf stehenden Wagen noch näher heranwünscht.
Ankh
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Ihre Absätze tackerten im Stakkato über das Pflaster, so, als würde ein Kind eine Handvoll Kieselsteine nach der anderen auf ein Blechdach werfen.
Die Schritte der Verfolger konnte sie nicht richtig wahrnehmen. Ihr Blut rauschte zu stark in ihren Ohren, und die ihr hinterher hetzenden Schatten trugen Sportschuhe - so, als hätten sie sich Moos unter die Fußsohlen geschnallt.
Wenn nur Zeit bliebe, zu verschnaufen... Bronco, ihr ADAC in adrenalingeschwängerten Situationen, war nicht zu sehen.
Verdammt, sollte sich Helsinki wiederholen? History never repeats... elende Dreckslüge.
Sie hatte nun das Gefühl, die Lunge würde sich langsam in blutigen Streifen aus ihrer Luftröhre quälen. Ein leichter Geschmack von Eisen legte sich auf ihre Zunge, als sie den tuckernden Motor des Renault-Komi hörte, der gute 200 Meter vor ihr ohne Licht auf der Straße stand.
War er das? ER?
Tanzlehrer
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Aus dem Polizeibericht :
Der Hoteleingang verdeckt von einer städtischen Müllabfuhr, davor, auf der Strasse, mit einer transparenten Hülle verdeckte Leichen. Das Haus mit einem hell erleuchteten Eingang daneben ist als Bordell bekannt
[Das Fluchtfahrzeug [ Zwei ] [ESt Paris !974] [44.67 TR - u] Nach dem Kastenwagen wird gefahndet.
Ankh
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Ein Tröpfeln unterschied eine Vergangenheit zu einer .. Gegenwart? Wäre es freundlicher, das Ehemalige in Helsinki? Die Fußstapfen klangen so, als würden sie nicht zerstören wollen, wie Fußnoten auf der Klaviatur .. aber doch aufmerksam drüben die Stufen erklimmen?
Finnische Mark, empfand Bronco, haben keinen großen Wert. 1974. Rund Siebenhundert davon schleppte er mit sich herum, am Fjorde über den Hügeln in den nebeligen Segeln, da war ein Bürgerhaus, das in kalter und nackter Unschuld keine Welt und kein Versprechen prophezeite. Das Wasser spiegelte ruhig mit Silber an der Angrenzung, spielte mit der Brandung, ganz weit weg waren Wolken auf stählerndem Horizont.
Ankh
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Sie hastete weiter, holte das letzte aus ihren schmerzschreienden Lungen!
Schlüssel?
Autoschlüssel?
Es war ein Rennen auf Zeit, hinter sich der näherkommende Renault. ER kam.
Vor sich ihre Rettung. Hechtsprung. Hinter den Wagen. Taschengewühl. Quietschende Bremsen!!!
Obermotzi
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Jasmin hechelte die letzten Meter auf den leise tuckernden Wagen zu. Ihre Stilettos glitschten über den nachtfeuchten Pflasterbelag, als sich, Sekunden, bevor sie den Türgriff des Wagens anbeten wollte, wie von Geisterhand bewegt die Schiebetür öffnete.
"There`s no better way to fly" keuchten ihre Gedanken, und sie flog förmlich hinein ein den Van, schmuste mit ihrem Oberkörper die verrauchten Rücksitze an und zog die Beine ein.
"Service wie bei der Lufthansa" ... bleckte eine Stimme aus dem Halbdunkel des Fahrzeugs - so, als wolle sie gleich den obligatorisch abgefragten Tomatensaft kredenzen. War das alles - für diesen Moment? Sie spürte den festen Griff an ihrem Hintern, der dazu diente, sie ganz in das Fahrzeug hinein zu ziehen. Während die Tür zurauschte, quietschten die Reifen unter dem Fahrzeug los wie drogenverseuchte Violinen bei einer Stimmprobe.
Sicherheit. Es fühlte sich an wie Sicherheit.
"Effi?"--- "Effi St.?" raunte eine Stimme hinter einer glühenden Zigarette aus dem Fond.
Verdammt.
Der Unsichtbare aus dem Hintergrund kannte ihren Decknamen aus Helsinki. Ihre Hände krallten sich unvermittelt in die verspackten Polster des Vans.
Verdammt.
Tanzlehrer
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Es presste sie rücklings, in den Sitz, der Van nahm schnelles Tempo an, die engen Strassen flogen .. "Ich glaube Du bist uns noch was schuldig, Effi!". Ein Arm griff ihr von hinten an die Brust, der selbst über die holprigen Strassen Paris auswärts keine Erschütterungen weiter leitete, das Autoradio plärrte Chansons von Ell Bosieun. Der Fahrer, ein Marrokaner aus Tunis wohl, blickte kurz dreitagebart lächelnd rüber, galt Jasmin einen fürchterlichen Blick, aber, wand sich wieder vorwärts, hielt das Lenkrad vibrierend und hektisch auf der Bahn, ein stoischer Blick.
"Mädchen", der Wagen holperte über Schwellen "der Schlüssel für die Schachtel", die andere Hand griff von hinten an ihr Handgelenk, sie wollte und will und mit aller Macht .. ihr Revolver fiel unter dem Sitz. Aus einer Ungerechtigkeit heraus krachte die Busenhand des zwar Bekanntem, ihr doch Unbekanntem, wieder über das Sichtfeld zurück, um sofort mit einem Potenzial über die Schläfe und über das Haupt ziemlich heftig eine mitgeben zu wollen, er schlug ihr mit flacher Hand am Gesicht eintausend Ungerechtigkeiten mitten drauf.
Jasmin ballte ihre Wut, die .. "Hast Du nun kapiert, Du Miststück?", und mittlerweile war die Gegend nicht mehr städtisch, es ging über Felder, der Van holperte wie ein Bauernfahrzeug ungefedert über abgeerntete Maisfelder, der Fahrer schaltete dabei oben am Flies ein kleines, helles Licht ein, lachte irgendwie .. schaute sich um .. fixierte Jasmin als gefälligen, unterirdischen Gebrauchsgegenstand.
Sie atmete tiief, hielt beide Hände auf die Knie, aus der Vorderfront des Vans konnte sie nur ein paar Positionslichter (der Marine, der Telekomunikation) hinter den Waldschneisen vermuten, aus dem Frontblech heraus dampfte Kühlwasser, der Geruch von Landwirtschaft stob durch den kleinen Spalt der Seitenscheibe, jetzt griff ihr der Helsinki Mann von hinten mit beiden Händen an die Brüste - so, wie niemand sie anfassen durfte.
Jetzt stand der Van fest mit einem Rad in einem schlammigen Untergrund, in fast völliger Dunkelheit. Da war ein Weizenfeld, ferne Bäume schwangen im leichten Wind rauschend zurück und wieder. Aus der Führerkabine heraus klang ein Lied von "Led Zeppelin", - we want to °sing° all puporses° - ein flitterndes Zigaretten Anfeuerlicht sprang tänzelnd nach draussen.
PAANG! Sonnenlicht blitzte aus dem Innen auf, das Wagenblech ließ schotternd nachhallen. Die Lebewesen an ihrem angestammten Platz schreckten auf, flatterten nieder, zirpten schnell weiter ihre beiläufige Melodie dem tagtäglichen Gang der Natur entgegen.
Ankh
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1982
Oben flatterte ein Riesenrad durch rauchschwangere Schichten von Luft, eine Kaskade von ganz schmalen, sehr eingebundenen schwarz/Weiß Kontrasten gleich glitt ziemlich scharf durch diesen einzigen Lichtblick.
"Fangen wir von vorne an". Der Typ mit verschwitzem Anzug, dieser ungelenk fabrizierten Krawatte, ohne echten Knoten fabrizierter Scheußligkeit auf bläulichen Hemd, drehte leicht knirschend die aluminierende Kugellampe Wucht genau in sein Gesicht. "Das Hotel hatten wir schon", er nahm die Zigarette von den Lippen, "aber .. Zimmer 312 ..!".
Da war ein hochgewachsener Sonstwer, er stellte Bronco einen Becher kalt dampfenden Automatencoffee hin. Vor sich, auf einem Metalltisch. "Wir haben die Schweinerei in dem Kühlhaus gesehen", der Mann blickte rüber zu der Mattscheibe, "dann diese Angelegenheit mit der Frau", Bronco blieb still. Zu lange her. 1979. "Wir haben auch", sein Anzug beugte sich näher "deinen Revolver, und Deine Patronen". Gewinnbringend erhob sich der Träger leise, ohne den Blick zu verlieren. Bronco blieb einfach so. Der Träger nahm es wahr, es machte ihm nichts aus. Vorne, auf dem Tisch, lag diese Akte. " Also, Helsinki", er drehte den Lichtkegel wieder näher an Broncos Gesicht, "willst Du mich verarschen!?".
Bronco blieb ungerührt. Er ließ sich nicht von Dampf und hellem Licht verschüchtern, keine Männer könnten ihn auch nur irgendwohin verführen. Einfach so. Er ließ es über sich ergehen.
Ankh
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Bronco wußte, dass alles weitere nun schmerzhafte Routine werden würde.
Seine Reaktionen, die elegant-dezente Eskalation der Methoden auf der anderen Seite des Tisches, das kühle, mit einem lockeren Eischnee-Lächeln unterzogene Spiel der Gesichtsmuskulaturen hüben wie drüben.
"Wissen Sie", sagte Bronco nach einer längeren Kunstpause, die durchwabert wurde vom Rauch polnischer Zigaretten, "wissen Sie, mich drängt es, Ihnen von meinem achten Weihnachtsfest zu erzählen."
Die Stieraugen auf der anderen Seite glotzten ihn mit in die Pupillen gemeißelten Fragezeichen an.
"Mein Onkel war ein begnadeter Bastler. Er konnte, wenn er wollte, aus einem Toaster einen Rasierapparat bauen - aber für die Nasenhaare."
Einer seiner Antagonisten begann, sich die Fingernägel mit einem Brieföffner zu reinigen und streifte die Trauerränder von der matten Klinge an seiner Cordhose ab.
"Er hatte es geschafft, aus einem ausrangierten Papp- und Gipsmodell der städtischen Bauverwaltung eine Modelleisenbahn zu zaubern. Extra für mich."
Bronco rührte mit einem Finger in dem lauwarmen Kaffee herum, den sie ihm lieblos in einem zerknautschten Pappbecher auf den Tisch gestellt hatten.
"Er verstand es, aus abgehalftertem Mist Geschenke zu zaubern. Und Sie sind dabei, es ihm nachzumachen."
Bronco lutschte den Finger ab, als hätte er vorher sonstwo gesteckt.
Das blasse Milchgesicht gegenüber begann, seine Gesichtsfarbe in mattes Gelb zu verwandeln und versuchte, seinen Gesichtsausdruck in das eines Typen zu ändern, der Eiswürfel pinkeln konnte. Wenn da nicht das leichte Zittern im Cordanzug zu sehen gewesen wäre...
Tanzlehrer
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Aus dem Polizeibericht
"Vergleichbarkeiten wurden herangezogen, auf einem Versuchsgelände wurden entsprechende Crash Anordnungen dargestellt [Akten]"
"Bei Tageslicht sind die weiten Sichtfelder offenbar, drüben sind im weißem Schaum Aufräumarbeiten im Gange zu erkennen, ein kühles Temperatur Empfinden."
Ankh
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Jasmien enthielt sich, zuletzt diesem Revolver .. ein Haufen Last viel von ihr ab, sie entledigte sich den Händen eben noch auf ihr, ein Zittern zerschneidet ihre Extremitäten.
Dann war da diese Mechanik, eine Extremsituation, das plärrende Radio, das keine Spiele mehr spielte, die unheimlich bedeutungsvolle Unwelt auf zersplitternden Glas, Blut auf ihrer Haut, das summende Licht .. Ein Schock, so ihre Hinterkopfwelt, schaltete auf sofort. Ihr wehten nämlich strenge Unwirklichkeiten durch Momente, dem Leben, durch Gelichter. Der Helsinkimann. Schwerer Atem hielt in hinten, auf dem Fond querliegend, am Leben. Seinem letzten Leben.
Augenlieder flimmern braune Augen hinter Vorhängen. Die Schachtel rutschte ihr fast aus den Fingern.
Nur einen Schritt draußen noch, verfügte Jasmin aufgelöst. Sie griff nach einem Habel, an einem Blech, knallte ihren Oberarm gegen die Entlassungsmachbarkeit; die, endlich wuchtete auf, gleitete fabrikneu nach hinten auf geöltem Weg.
Und da war wieder diese Landwirtschaft, die nun unerwarteten Positionslichter, das Flattern und Rascheln der Lebewesen, die Düfte dieser plötzlichen Welt. Jasmin kugelte aus dem nicht mehr fahrbereitem Van auf teils trockene Wege, nun herausleuchtend beleuchtete Teppiche aus Hindernissen und Halmen und Gewächsen, beäugte beim rollen kurz, aber aufgeregt, die Nacht um sich herum, roch Wiesenduft. Vorne, der Fichtenwald, ihrer Flucht das geeignete Ziel.
Ankh
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Bronco hat übrigens einen Sohn, er ist fünfzehn Jahre alt und verliebt (in seiner Pubertät), trägt blond gelocktes Haar und treibt sich nicht nur in Bibliotheken herum, sondern auch in Discos und Etablissements.
Der Sohn ist ähnlich verwegen (ein Statuen Kletterer, fährt gerne Motocross mit überdrehten Maschinen im Gelände) wie sein Vater, hat ein Knopfloch zuviel offen im Marinehemd, sieht unverschämt gut aus und weiß mit Frauen umzugehen.
Bronco missfällt der Lebenswandel seines Kindes, es erinnert ihn zusehr an seine eigene Herangehensweise damals dem Leben näher. Seit Jahren gibt es zu dem Kind und seiner Mutter keinerlei Kontakt mehr; eine schwergekerbte Wunde bis in Träume hinein.
Ankh
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Über stolpernde Kleinigkeiten, der Wald von vorne. Jasmin überrannte kleine Hügel, fiel fast in Nester wie mit Rippenbrüchen. Kein Licht. Kein Sehen.
Keine Wiederkehr? Sie stoppte das Hetzen, lehnte an einem ersten, festem Birkenstamm, viele Stämme waren dort; rutschte dem schroffen Baumstamm verbergend mit dem Hosenbund nach unten. Ein hastiger Blick vorbei - der Van pulsierte immer noch, keine Gestalten standen draußen oder machten Anstalten; fern war die Furcht, da war das Feuer.
Jasmin prüfte die weiteren Wege. Sie griff in den feuchten Waldboden, atmete wie zuletzt, roch an dieser muffigen Erde, als ob .. ob als ob. Weiter, wurde ihr klar. Weg hier!
Ankh
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- rapport policier citation -
Zwei Zeugen erklärten sich einverstanden die Situation aufzuhellen, die inmitten Paris statt gefunden hat.
Gecaj Ded
und die Bardame Svetlana wurde ebenso vernommen.
Ankh
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Dem Tod so nah. Ohne Waffe, ohne das gewollte, selbsterschaffene Risiko, einfach nah.
Jasmin stemmte sich vorsichtig auf die Hände, unterdrückte ein Wimmern.
Schmerzen durchfluteten ihren Körper.
Ihr orientierungsloser blick schweifte über den Van, die Umgebung, ihre zerschundenen Knie, sie richtete sich langsam auf. Nein, keine Möglichkeit, so davonzukommen, ihr linker Knöchel trug sie nicht mehr.
Dort hinten. Ein langer, dicker Ast.
Sie fiel wieder auf die Knie und begann ihren mühseeligen Weg.
Vorsichtig schon Sie sich Stück für Stück vor. Dort hinten. Vielleicht 50 Meter, mehr nicht. Mit einem gebrochenen Fußgelenk eine Ewigkeit.
Katia
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Jasmin spürte dieses erbärmliche und hilflos machende Pochen in ihrem Bein und hatte das Gefühl, als würde sich jeden Moment ein unsägliches Alien aus einer aufplatzenden Wunde herausquetschen.
Auf den Knien und Ellenbogen robbte sie nun im Zickzack durch den Moder, hoffend, dass das gnädige Dunkel der Nacht ihre Spuren halbwegs verwischen würde. Wenn da nur nicht ihr schmerzentstelltes Keuchen wäre, das jede Tarnung zur Makulatur verkommen ließ.
Jasmin zerrte ein Taschentuch aus ihrer Jeans und stopfte es sich in den Mund. Wenn sie schon nicht in der Lage war, ihren Schmerz zu dämpfen, sollte wenigstens der röchelnde Klang ihrer Agonie ungehört bleiben. Aber noch hatten sie sie nicht an dem Punkt, von dem aus die letzte Reise angetreten werden musste. Noch nicht.
Ihre Hände wühlten sich durch das nasse, dunkle Laub.
Die tiefe Mulde im Boden tat sich überraschend auf. Ein alter, verlassener Dachsbau, etwas zu groß geraten. Sie glitt, so gut es ging, hinein und schob mit rudernden Bewegungen Laub über ihren Körper.
Das Taschentuch quoll an. Blut, Speichel, Erde. Nacht. Schmerz.
Und dann dieses unbarmherige Rascheln. Schritte, die durch die Nacht stapften und näher zu kommen schienen. Jasmin war kurz davor, ihr Herz in das Taschentuch zu kotzen.
Tanzlehrer
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Es sah sein Lächeln, ohne Spiegel, durch seine Augen aussich heraus pulsieren; kraulte sich mit der einen Hand am Unterkinn. Verschmitzte Züge spielten an den Grübchen. Ein wenig bebte die Lippe, er neigte nun sein Antlitz sachte in den Nacken, schloss dabei die Augenlider, tippte mit dem einem Fuß auf dem Boden, lehnte sich ab vom Tisch und auf nur zwei Stahlstuhl Beine ein paar Grad zurück, griff sich gewohnt in das volle Haar.
"Ich werd aus dem nicht schlau", der Wichtige blickte Bronco durch das verspiegelte Glas hindurch eigentlich nochmal schon nah bemerkenswert präzise an, "Helsinki scheint es nicht für den gegeben zu haben". Ein Rascheln und Raunen der zwei weiteren Personen im Beobachtungszimmer erhöhte sich, ein Telefax knatterte vorne am Sideboard, Durchatmen und Zigarettenrauch wirbelten ihre eigene tanzende Atmosphäre in vorher stehender Luft, ein paar orangene Blinklichter. "Lassen wir den Wichser gehen. Phil und Jones sollen sich an seine Fersen heften" . .. die Schachtel .. . "und vergesst nicht! Die Schachtel!". Ein Riesenspalt Sonnenlicht öffnete sich türweit, ein .. nein zwei Typen drangen auf einen Flur, schlugen sofort den Spalt wieder in das Dunkel zurück verschließend.
Ankh
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Polizeibericht:
Paris 1979. Im Hinterhof. Das Hotel. Vadim, erhängt noch! Jeanshose, helles Hemd, dunkele Lederjacke bis über die Ärmel gezogen; eine Plastiktasche zum ersticken über den Kopf gezogen (Detailfoto von zwischen den Wegen wird nachgereicht werden).
Ankh
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Laub überall, es schien bin in ihre Lungen zu rutschen bei jedem Atemzug.
Jasmin versuchte trotz der Schmerzen flach zu atmen, sie so leise Luft zwischen den modernden Blättern in ihre hämmernden Lungenflügel, presste die Augen fest zu und lauschte.
Schritte.
Füße wühlten sich durch den Waldboden.
Wie viele waren es? Einer? 2 Personen? 3?
Panik wollte hochkommen, Jasmin biss fesster auf ihr Taschentuch und schluckte trocken.
Eine Bewegung.
Dierekt über ihr.
AUF ihr. Laub wurde beiseite gewischt, berührte ihr Gesicht und verschwand.
Vorsichtig öffnete Sie die Augen.
Steffi81
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In Helsinki, ein kühles festes Weiss stob auf, als er mit einem Lederhandschuh zu diesem Geländer griff, das schwankend von der Fähre aus mit dem Festland verbunden war. Er taumelte auf, mit dem Boden unter unruhiger See. Eiskristalle fielen zu Boden.
"Geben sie mir ihre Hand!", brüllte ihm ein hektisch in einer Eskimomütze versteckter Landsmann wohl wischende Hand dem Schnee aus dem Wind weg, Sturm aus seinen Gesicht wehrende Mann, "Hier! Halten sie sich fest!"; wieder wog das Schiff nach hoch oben, die helfende Hand verschwand wieder - ein kält springendes Wogen nahm den Magen mit nach unten, zwei Meter oder zweihunderttausend. Bronco klammerte sich an das rettende Holz, der Fuß rutschte an der Kante.
Ankh
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Drei grimmig gewalttätige Männer, vielleicht vier, gingen mit gemächlichen Tempo den Waldboden ab. Einer hatte eben eine feuchte und moderige Fußsohle neben ihr in den Grund gerammt; Jasmin blickte äußerst knapp und in nicht mehr knapper Panik dem anderen Fuß entgegen, der nun einen Schritt weiter mit hinterher raschelnden Herbstblätter vorwärts schritt, wie einen gleich zuschlagenden Amboß gleich, der ihr die Nacht noch dunkler machte in diesem Zeitlupenmoment vorbei über ihr unentdecktes Gesicht.
Sie pumpte, wollte ächtzen, drehte sich noch flacher in den Boden, atmete nicht, denn eine weitere Gestalt drängte jetzt ihren Schatten zwischen die altgewachsenen, hoch aufbäumend streckenden Birkenstämme genau auf sie zu; Jasmin vergrub sich (leise?) tiefer, nur hoch oben ein paar Augenblicke aus verdrehtem Augenwinkel, die Panik war keine knappe mehr, ihr schoß das Blut - mit drängenden Stössen - in das auf Hochtouren dem Limit hingebendem Herzen. Der Revolver! Jasmin kalkulierte ihr Leben zurück, ihr Wohlgefühl als Kind im Schoß ihrer Elte .. Der Revolver! DER LIEGT DOCH NOCH DA! IM WAGEN! UNTER DEM SITZ!
Jetzt war die endgültige Situation da, das unbarmherzige Entgegenstellen von leben oder sterben. Jasmin riss ihre Arme hoch, aus dem Laub, gelenkt von Instinkt, griff zu einem langen feuchten Ast, erhob sich rauschend auf allen Vieren - brüllte dabei und schwang PONG! .. sie sah einen Schatten niedergehen, fand sich in einem Birkenwald schwankend wieder; mit Lichtern zwischen Stämmen, mit Stimmen wie aus einem fernem Labyrinth.
Sie rannte los. Sie hatte soviel Kraft. Der Revolver unter dem Sitz.
Ankh
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Und hatte sich überschätzt. Rennen mit gebrochenem Knöchel? Sie konnte viel, aber nicht fliegen. Aufschrei. Aufbäumen. Schmerzverzerrtes Gesicht. Und im Rücken das schwere Gewicht des Schäferhundes, der sie umsprang, ihr in den Nacken klatschte.
Sturz auf den Waldboden, das Gesicht in den Dreck. Geruch von nassem Laub, Mund voll.
Husten.
Die Tränen schossen ihr in die Augen, Schmerz, Panik, Verzweiflung und die erste Resignation.
Tach auch
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Der Hund ließ fletschend seine Kiefer mittendrin reißen; Jasmin klopfte noch mit dem Gehölz auf ihn drauf - zögernder, verlierender, einem Ende hingebender.
Ankh
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Der junge Momst Harri bebte mit dem Schwanken, zog Bronco endlich auf seiner Seite, der unglaublich durchnässt und schwer wie ein Wal auf das aufgewühlte Feucht des Obenholz schlitterte, verdreht und überschlagend 1974 vor Helsinki, noch gerade so an das Ufer wie gezerrt. Und die Wellen schlugen überhand, Brandung krachte wie Stahlplatte auf zarter Haut.
Ankh
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Gnädige Ohnmacht umhüllte Jasmin, nahm sie mir hinweg, spülte ihre Schmerzen weit ins Land.
Wo war sie?
Die Augen geschlossen.
Geräusche.
Flüstern.
Lachen.
Rascheln von Papier.
Ein Fernseher.
Wasserkessel.
Gerüche.
Speisen.
Modrige, stehende Luft.
Schweiss.
Tabak.
Die Augen weiter fest geschlossen horchte Sie in sich.
Ihr Rücken schmerzte.
Der Fußknöchel.
Die Arme. Sie konnte eine Hand bewegen. Die andere.
Steffi81
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"Du spinnst wohl, da mache ich nicht mit!", Sven eröffnete die Konfrontation, "für Totschlag bin ich nicht zu haben!". Die zwei Männer in dieser .. "sie hat diese Schachtel nicht! Sei Du mal lieber froh, wenn sie überhaupt überlebt!".
Der Andere sank auf einem Stuhl, griff sich an die Stirn, gestikulierte ermattend. Neben dem Stuhl war die Minibar, er öffnete sie aus dem Sitz müde lächelnd heraus, das kleine Barlicht erhellte den fast dunkel verhüllen Raum schwach schimmernd .. "wir können die Lady nicht hier einfach liegen lassen .. ". Er zog aus der Lichtquelle einen Wodkadrink nah an sich, "DIE ALTE MUß WEG!". Justus hob den Blick, schleuderte mit einer ersten ernsten Ernsthaftigkeit glasklar endgültig Sven die Entscheidung in den Leib, drehte dabei aus seinen Finger eine Zigarette an den Mund, "wir diskutieren nicht, hast du das kapiert?"; er öffnete den kleinen Drehverschluß des Minibar Wodka Dings, behielt diesen finsteren Blick, seine Stimme wurde echter.
Sven wollte nicht wahrhaben, entließ sich erstmal seiner Wut, vermischte die Machbarkeiten, zögerte die "Gut, wir werden sie an einer Klinik, was weiß ich, aussetzen, irgendwo, dann könnten wir jedenfalls .. . ->
Ankh
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Und wieder Helsinki, diese enorm anziehende Stadt; das Feingefühl von Welten. Ich erinnerte mich an dem Behalt, galt niemandes mehr.
Wir stoben und krochen (ineinander), wir fanden und verloren Stunden um Stunden um Stunden.
Das Bronco Konstruckt 27 - Der Insich Palast
Ankh
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Noch schwach und wehrlos konnte Sie den Lappen nicht beiseite schieben, der sich auf ihr Gesicht presste.
"Chloroform" war ihr letzter Eindruck von der Aussenwelt.
Was war dran an den Gerüchten, daß Menschen wie Sie irgendwann nutzlos wurden? Abgeschoben und ausgetauscht?
Und daß man sie in Russland in Arenen kämpfen liess? Wohl nur Gerüchte, denn es gab keine Zeugen, die berichten konnten. Es überlebte niemand.
Sie betete, sie hoffte.
Dann wurde es schwarz.
Torti
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Ankh, Neustart
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Der Zahn tat höllisch weh.
Tanzlehrer
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Und eine Apotheke war weit und breit nicht in Sicht. Helsinki klappte schon ziemlich früh die Bürgersteige hoch.
Ankh
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Ziemlich spät schon unterwegs, ein paar Lichter in den Fensterfronten glühten nach, beraubte nicht einmal diese Eiseskälte ihr diesen Schmerz. Am liebsten hätte sie eine Zange parat (gehabt) - ohne zu zögern würde sie das pochende schmerzverzerrende .. ach. Irgendwie war es ohnehin zu spät. Ein paar Flocken frischen Schnees fielen ihr noch in das Gesicht, flatterten den Strassenlaternen stückweise von ab. Die Schachtel, darum ging es! Zu spät.
Aber .. so kalt, so wieder auftrumpfend .. sie zückte die Visitenkarte von dem Doktor aus einer Manteltasche hervor, "dr esholm vinjordi", las den Ort dargelegt. Und wieder stiefelte sie durch den Schnee, ließ diese Visitenkarte in eine Innentasche wandern, zog wollgestrickte Handschuhe über atemlose Hände, fasste sich an ihrem pumpenden Unterkiefer.
Jedesmal, wenn der Schmerz eingriff, stand auch das Schneefallen still, wurden die Lichter weniger Licht, hörte das Herz auf zu sein.
Ankh
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Tanzlehrer - 10. Jan, 16:08
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